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Pflanzen züchten für die Zukunft
Interview mit Christina Henatsch, Agraringenieurin. Kulturpflanzenentwicklung und Züchtungsforschung
Pflanzen, also Gemüse, Getreide, Obst, ernähren uns. Wirkliche Ernährung geht aber über das bloße Essen hinaus, sie soll den Menschen aufbauen, erfrischen und seine konstitutionelle Entwicklung fördern. Wo stehen wir aber mit unseren heutigen Nahrungsmitteln? Und was braucht es, damit uns die Pflanzen für die Zukunft weiterbringen können?
Christina Henatsch arbeitet seit über 20 Jahren an diesen Themen. Letzten Herbst fand eine große Feier statt zu dem Jubiläum dieser Saatgutforschung.
Interviewpartnerin: Christina Henatsch hat die Schule für biologisch-dynamischen Land- und Gartenbau in Holland abgeschlossen, danach Agrarwissenschaften in Bonn studiert. Betreibt seit 21 Jahren ihre Forschung in „Kulturpflanzenentwicklung Wulfsdorf e.V.“, was eines der Projekte von „Kultursaat e.V., Verein für biologisch-dynamische Gemüsezüchtung und Kulturpflanzenerhalt auf biologisch-dynamischer Grundlage“ ist. Sie arbeitet selbständig und hat einige Mitarbeiter.
Christine Pflug: Zunächst eine ganz grundsätzliche Frage: Wofür ist Saatgutforschung gut? Wohin soll sie führen? Wer braucht das?
Christina Henatsch: Das hat zwei Aspekte. Der eine ist pragmatisch: Der gesamte Bioanbau, auch Demeter, greift bei Gemüse zu 95% auf konventionell gezüchtete Sorten zurück. Es sind Hybrid-Züchtungen, die nur eine Pflanzen-Generation auf bio-Weise vermehrt wurden.
Es ist praktisch eine Lücke zwischen den Initiativen, die alte Sorten erhalten, und der professionellen konventionellen Züchtung; es gibt also kaum eine Züchtung für den Ökoanbau. Und das ist unsere Aufgabe: Wir entwickeln Sorten für den professionellen ökologischen Gemüseanbau – die sind nicht hybrid und nicht gentechnisch verändert. Die modernen Hybriden sind ja sogar mit biotechnologischen und gentechnischen Methoden gezüchtet. (Eine Hybride ist in der Biologie ein Individuum, das aus einer geschlechtlichen Fortpflanzung zwischen verschiedenen Gattungen, Arten, Unterarten, Ökotypen oder Populationen hervorgegangen ist. In der kontrollierten Zucht wird der Begriff für Nachkommen von Kreuzungen verschiedener Rassen oder Zuchtlinien verwendet. Wikipediea)
Dabei kommt die Gentechnik quasi durch die Hintertüre rein, weil es so nicht mehr kennzeichnungspflichtig ist.
Wenn die Menschen bio kaufen, außer von einer Solawi (solidarische Landwirtschaft) oder einem Hofladen, und die Pflanzen sind nicht deutlich als samenfest gekennzeichnet, haben sie zu 99 % hybrid. Hybrid schafft erstens eine Abhängigkeit von den großen Saatgutfirmen, weil die Pflanzen, bzw. Samen nicht nachbaufähig sind, und zweitens ist die Voraussetzung für die Erstellung einer Hybride die männliche Sterilität mindestens einer Linie. Immer ist eine von den beiden Linien, die gekreuzt werden, männlich steril – sonst funktioniert das nicht. Drittens gibt es eine deutliche Unverträglichkeit bei der Verdauung von Hybriden – sie sind für viele Menschen unbekömmlich.
Der größte Teil unserer Forschung besteht also in der Züchtung von samenfesten Sorten für den Ökoanbau.
C. P.: Und was sind die anderen Aspekte Eurer Züchtung?
C. Henatsch: Die andere Schiene ist die Entwicklung von neuen Züchtungsmethoden. Bislang waren die Züchtungsmethoden rein klassisch, d. h. man machte eine „positive Massenauslese“: Man hat einen Bestand oder eine Vielfalt, und daraus wird dann selektiert.
Das Festhalten an Vererbungsgesetzmäßigkeiten und Reproduktion ist nicht mehr zeitgemäß.
Aber, und das geht auch auf Aussagen von Rudolf Steiner zurück, dieses Festhalten an Vererbungsgesetzmäßigkeiten, Reproduktion etc. ist nicht mehr zeitgemäß. Bei einer Selektion schaut man immer zurück – das liegt in der Natur der Sache: Ich baue etwas an, schaue, wie es geworden ist und suche davon das Beste raus. „Ein guter, schöner Vater und eine gute, schöne Mutter ergibt wieder ein gutes Kind.“ Das ist vererbungsgesetzmäßig gedacht – und zwar generell und nicht nur bei Pflanzen. Das ist immer der Rückgriff auf Vergangenes, und dieses Denken ist alt. Wir denken auch in der ökologischen Züchtung immer noch vergangenheitsbezogen. Natürlich mache ich auch Kreuzungen und Selektionen, das ist Handwerkszeug, ich werde es auch weiterhin machen. Aber für mich stellt sich die Frage: Wie hole ich die Zukunft rein? Ich muss in die Zukunft denken und für einen sich entwickelnden, zukünftigen Menschen züchten.
„Wie geht Schöpfung?“
C. P.: Und wie holt man die Zukunft in die Pflanzen rein?
C. Henatsch: Dahinter stehen weitere Fragen: Wie vertraue ich darauf, dass es einen kosmischen Neuimpuls gibt? Es gibt von Rudolf Steiner eine Meditation, in der quasi beschrieben wird, „wie Schöpfung geht“: Wie werden Gedanken und Wünsche von den Menschen in die geistige Welt aufgenommen und realisiert? Wie kann dadurch Neues in die Welt kommen? Wie kann ich die Zukunft in die Züchtung hineinholen? Wie kann ich von der Pflanze ein zukünftiges Bild bekommen? Ich bin nicht diejenige, die sich so ein Bild macht, sondern ich bekomme es sozusagen geschenkt. Wie kann das dann zur Realisierung gebracht werden? Das geschieht beispielweise mit den von Steiner vorgeschlagenen Mantren (Wortmeditationen).
C. P.: Das mit dem Neuimpuls gilt auch für Soziales und überhaupt Allgemein-Menschheitliches. Man kann Probleme nicht lösen, indem man die bisherigen Denk- und Handlungsweisen dafür anwendet, aus denen sie entstanden sind. Aber wie geht das bei Pflanzen?
Es entsteht ein Zukunftsbild.
C. Henatsch: Die Grundlage ist die Wortmeditation, wie sie als Forschungsinstrument in der Gesellschaft für Bildekräfteforschung entwickelt wird und die Wahrnehmung der Bildekräfte der einzelnen Pflanzenarten und -sorten. Darüber kann ich mir ein Bild machen, nicht nur wie sie physisch aussehen, sondern auch, wie sie von ihren Lebenskräften her aussehen und wirken.
Wenn ich nur selektiere, mache ich ausschließlich einen Rückgriff in die Vergangenheit. Wenn ich mich mit der Pflanze verbinde und sie quasi frage, wie sie für den zukünftigen Menschen wirkt, entsteht ein Zukunftsbild. Und dieses bitte ich, dass es durch die geistige Welt realisiert werden möge. Ich kann das ja nicht machen, ich kann nur darum bitten, dass es Realität wird. Dieses geschieht durch die Meditation eines entsprechenden von R. Steiner gegebenen Mantrams. Ich züchte ja nicht für mich, sondern für die Welt.
Danach kommt züchterisches Handwerk, ich säe normal aus, muss ganz normal als guter Gärtner anbauen und als guter Züchter selektieren. Es gibt dann auch noch etliche Begleitmaßnahmen, um den Prozess zu unterstützen. Und ich muss die Augen offen halten, weil es sein könnte, dass ich ein Geschenk bekommen habe.
C. P.: Du sprichst von Bildekräfteforschung. Was ist das?
C. Henatsch: Die Bildekräfteforschung macht sich zur Aufgabe, die Bildekräfte, – auch Äther-oder Lebenskräfte genannt – die in allen Lebewesen immer wirken, wahrzunehmen und zu beschreiben und auch den methodischen Zugang, der zu diesen Wahrnehmungen führt, zu entwickeln und zu beschreiben.
(Die Welt, die uns durch unsere Sinne erscheint, ist nur scheinbar beständig, denn alles, was lebt, ist in stetigem Wandel begriffen. Diese Wandelbarkeit wird von Kräften bewirkt, die hier als Bildekräfte bezeichnet werden. Sie schaffen und gestalten die sichtbaren Erscheinungsformen und organisieren alle Lebensprozesse. Dieser gesamte Komplex feineren Wirkens schließt unmittelbar an die physisch- sinnliche Welt an und wird in der anthroposophischen Literatur als Äther- oder Bildekräfte bezeichnet. https://www.bildekraefte.de/)
Die Lebenskräfte des Nahrungsmittels überprägen meine eigenen Lebenskräfte.
C. P.: Wie machst du das, die Lebenskräfte wahrnehmen?
C. Henatsch: Wenn man eine Möhre isst, kaut man und hat ein Geschmackserlebnis. Dann kaut man noch weiter und spürt: Was ist jetzt hinter dem Geschmack? Wenn ich sie gegessen habe, wirkt sie auf mich. In dem Moment, in dem ich etwas gegessen habe, überprägen die Lebenskräfte des Nahrungsmittels meine eigenen Lebenskräfte – ich werde sozusagen ein stückweit Möhre und kann erleben, wie die Möhre in mir wirkt.
Jeder weiß doch, dass man von Kaffee einen Kick kriegt und von Tee einen anderen Kick, Schokolade macht ein stückweit zufrieden, und dass man sich anders fühlt bei Kartoffeln mit Braten als bei Reis mit Gemüse. So lapidar kennen das die meisten, und wenn man etwas feiner hinspürt, merkt man beim Essen den Unterschied zwischen Möhre oder Kohl. Oder die eine Möhre tut mir anders wohl, oder auch gar nicht wohl, als die andere.
Löst das, was ich esse, in mir ein Wohlgefühl aus?
Es ist generell wichtig: Löst das, was ich esse, in mir ein Wohlgefühl aus? Möchte ich mich darin ausbreiten oder entsteht nur der Gedanke, wie ich es wieder loswerden kann? Auch wenn man nach dem Essen müde wird, war das quasi ein Angriff, sodass man die eigenen Lebenskräfte wieder so stark machen muss; es war dann magenfüllend, aber nicht ätherisch kräftigend. Mein Anliegen ist, dass ich Lebensmittel entwickle, die ein Wohlgefühl erzeugen. Und über das Wohlgefühl hinaus charakteristisch in ihrer eigenen Art sind, dass die Möhre eine richtig kräftig typische Möhre ist, und zwar im besten Sinne, was mit Möhre gemeint ist.
Über die Meditation kann man sich erarbeiten, was das Urbild Möhre oder Kohl ist, oder man kann diese Pflanzen quasi direkt fragen: Was kannst du uns noch weiter schenken? Wie könntest du aussehen, dass du Nahrung bist für den zukünftigen Menschen?
Damit habe ich zwei Probleme auf einen Schlag gelöst: Wer bin ich denn, um sagen zu können, was die zukünftigen Menschen brauchen – das steht mir gar nicht zu. Ich frage die geistige Welt oder das Pflanzenwesen, was es geben kann – damit gebe ich die Frage ab und bitte um eine Antwort. Der zweite Aspekt ist: Ich kann die Pflanze nicht zwingen und sagen, was sie machen soll; ich kann sie nur bitten und fragen, was in ihr liegt. Damit biete ich der Pflanze auch den nächsten Entwicklungsschritt an.
C. P.: Könnte man das damit vergleichen, wenn man ein Kind erzieht? Man könnte dieses Kind nach den eigenen Vorstellungen irgendwohin erziehen oder man nimmt das Kind wahr und schaut, was es braucht.
C. Henatsch: Ja und nein. Das Kind entwickelt sich nach dem, was in ihm liegt, und man ist der bestmögliche Entwicklungsbegleiter, dass sich diese Anlagen optimal entwickeln können. Was beim Kind individuell ist, frage ich aber bei den Pflanzen allgemein. Die Möhre erblüht nicht nur in ihrer schönsten Art, sondern sie bekommt noch etwas hinzu. Das, was wir an Pflanzen haben, ist aus vorchristlichen Zeiten; damals sollten die Menschen auf der Erde ankommen, sie sollten erdenschwer gemacht werden. Jetzt geht die Entwicklung dahin, dass sie sich wieder für den Kosmos öffnen. Das ist eine völlig andere Ausrichtung. Bisher hatten die Gemüse die Aufgabe, uns die Augen zu öffnen für die Sinneswelt, das Getreide sollte uns so ernähren, dass wir auf der physischen Welt ankommen. Jetzt sollen uns die Nahrungsmittel die Augen und Ohren öffnen für die Geistwelt und den Leib fein machen, sodass wir wieder durchlässig werden für die geistige Welt.
C. P.: Hängen damit die Nahrungsunverträglichkeiten zusammen?
C. Henatsch: Gerade die jungen Menschen haben eine andere Konstitution, das trifft auf diejenigen, die nach 2000 geboren sind, noch mehr zu. Es ist tatsächlich so, dass die Menschen die von mir behandelten Getreide besser vertragen. Die heutige normale Nahrung ist zu schwer und zu dicht, und die Menschen wollen nicht mehr „schwer“ werden; viele sind hochsensibel, feinfühlig, der Leib ist durchlässig, und dieser feine Leib muss ernährt werden. Und die heutigen Nahrungsmittel taugen nicht mehr für diese feinen Leiber. Bei dem Getreide, auch bei dem Gemüse, habe ich die Rückmeldungen, dass die Menschen die von mir behandelten lieber essen, weil sie sich damit nicht so schwer fühlen, sondern heller und frischer.
Qualitätsuntersuchungen mit dem Steigbild
C. P.: Was ist ein Steigbild?
C. Henatsch: Der Pflanzensaft wird in einer Konzentration auf ein mit Silbernitrat beschichtetes Papier aufgetragen. Das steigt dann hoch und gibt charakteristische Formen; die kann man lesen lernen.
Beispielsweise habe ich von zwei Bohensorten Steigbilder gemacht. Bei der Bohne Brigitt habe ich das Saatgut über mehrere Pflanzen-Generationen eurythmisch und meditativ behandelt, es sieht danach anders aus. Das Steigbild ist geordneter.
C. P.: Was machst du, wenn du das Saatgut behandelst?
C. Henatsch: Es wird zuerst eingeweicht. Ich nehme wahr, wie die Sorte in ihren Lebenskräften ist, und aus der Erfahrung heraus weiß ich, was sie sozusagen braucht. Ich habe ein Bild, wie „Bohne sein sollte“, über Erfahrungen und Mediation. Bei Ferrari merke ich, dass die Bildekräfte nicht dem entsprechen, was „schöne“ Bohne ist und wie sich das auf den Geschmack auswirkt. Ich weiß aus Erfahrung, welche eurythmischen Bewegungen dieses Saatgut verbessern und stelle mich vor das Saatgut und mache diese Eurythmie. Das mache ich bei dieser Bohne 5 Generationen lang, also 5 Jahre. Außerdem hat Steiner bestimmte Mantren, also Texte, für die Saatgutbehandlung gegeben und die benutzen wir. Ich meditiere das so lange, bis ich das Gefühl habe, es ist angekommen.
Was ist das Typische für einen Salat …?
C. P.: Du hast vor dem Saatgut von Salaten Eurythmie gemacht. Das waren die Laute L und D.
C. Henatsch: Mit den Lauten B, G und N gibt es die dichtesten Köpfe. Das L und das M machen fluffige Köpfe, während dagegen die Stoßlaute am meisten verdichten. Und die Frage ist, welcher Laut für einen Salat am typischsten ist, bzw. am besten passt. Ein schöner Salat steigt perlend auf, es ist ein wenig wie Selters, er macht ein frühlingshaftes Gefühl, es ist hell, es ist eine durlichtete Wässrigkeit; es schwingt ein wenig und gibt ein bisschen freie Atembelebung. Zum Beispiel im Gegensatz zur Möhre; die bringt Klarheit im Denken, einen hellen Kopf, Ordnung, Sortiertheit, aber auch Inkarnation in die Glieder; auch eine Belebung, aber mehr strukturierend.
Wenn man beim Salat jetzt Stoßlaute macht, G oder K, macht das nicht gerade leicht; das L würde schon eher passen, aber das Feinperlige würde zu großen Wasserströmen werden, und das passt so auch nicht. Was aber kommt dem Salat so richtig entgegen? Das ist das C. Das C führt in die Leichte, es ist nicht wässrig-belebend, sondern lichthaft-belebend.
Es ist die Frage, wie ich den Salat schöner, ausdrucksstärker bekomme, wie ich ihn unterstützen kann – und ihn in seiner Eigenheit trotzdem so lasse wie er ist.
Was vor allem und sofort hilft und die Pflanzen schöner macht – ist danken. Dank macht die Bildekräfte schöner.
Man bemerkt die Wirkung des Dankens.
C. P.: Danken kann jeder. Stellst du dich vor die Pflanzen und dankst ihnen?
C. Henatsch: Es ist ein meditatives Danken, ich lasse ein Gefühl von Dankbarkeit dahin strömen. Ein Gebet wirkt auch. Die Wirkung bemerkt man auf der Ebene der Bildekräfte am Erntegut und in der Nachbaugeneration, also am folgenden Saatgut.
C. P.: Bei dir in der Forschungshalle sind immer junge Menschen, die alles das lernen wollen.
C. Henatsch: Ich habe eine kleine Weiterbildungsgruppe, in der ich das anbiete. Aber es geht darüber hinaus, dass ich ihnen lediglich meine Methode zeige. Wir erarbeiten uns zusammen die Hintergründe, aus denen heraus man Neues entwickeln kann und kommen in ein gemeinsames Forschen.
relativ viele private Spenden
C. P.: Wie finanzierst du diese Arbeit?
C. Henatsch: Finanziert wird es von Kultursaat e. V., von der Grell-Stiftung und anderen Stiftungen, von der Bäuerlichen Gesellschaft, und das Getreideprojekt wird von relativ vielen privaten Spenden finanziert. Das alles bestätigt mich, dass ich mit dieser Arbeit den Nerv der Zeit getroffen habe.
www.Kultursaat.de
www.bingenheimersaatgut.de
www.bildekraefte.de