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Vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es … (J. W. v. Goethe)
Entwicklungen im Vorgeburtlichen und Nachtodlichen
Interview mit Helmut Eller, Vortragsredner und ehem. Waldorflehrer
Passiert etwas mit uns vor der Geburt und nach dem Tod? Es gibt Berichte von Eltern, die mit ihren zukünftigen Kindern, mitunter sogar bevor sich diese physisch angekündigt haben, Kontakt haben. Und wir kennen heute von vielen Berichten aus der Nahtodesforschung, dass die Betroffenen nach dem Tod immer wieder ähnliche Erlebnisse haben.
Wir sind also in einer anderen Weise existent und durchlaufen Stufen. Man lernt das vorige Erdenleben anzuschauen, bekommt Gesichtspunkte für ein neues und nach vielen Schritten wird ein nächstes vorbereitet.
Interviewpartner: Helmut Eller, war 40 Jahre lang Waldorflehrer; während dieser Zeit hatte er parallel 25 Jahre an der Universität einen Lehrauftrag für Waldorfpädagogik. Bis heute gibt er Seminare in unterschiedlichen Zusammenhängen, hält anthroposophische Vorträge und u. a. war er dafür zehnmal in Japan. Derzeit schreibt er ein Buch über die Entwicklung des Kindes.
Christine Pflug: In dem Buch, das Sie schreiben, spielt die Vorgeburtlichkeit eine wichtige Rolle. Wie sind Sie dazu gekommen?
Helmut Eller: Zur Entwicklung des Kindes gehört das als Auftakt dazu. Bekannt wurde dieses Thema durch das Buch „Gespräche mit Ungeborenen“ (1); Eltern hatten zum ersten Mal den Mut, über ihre Erlebnisse mit ihren ungeborenen Kindern zu sprechen.
C. P.: In diesem Buch werden Beispiele angeführt von Kontakten der Eltern zu ihrem noch nicht geborenen Kind. Was besagen diese Beispiele?
H. Eller: Beispielsweise schreibt eine Frau: „Als ich mit meiner Tochter im fünften Monat schwanger war, hatte ich in der Nacht einen Traum, der sich mir stark eingeprägt hat. Ich sah ein Embryo-Gesicht mit großen, offenen Augen. Ganz zarter Flaum wuchs auf seinem Kopf und auf der Haut des Gesichtchens. Es schaute mich an, mit einem unendlich tiefen, friedvollen Blick. Es schien fast zu lächeln, und ohne dass es die Lippen bewegte, fühlte ich es zu mir sprechen. Es gab mir zu verstehen, dass es sich auf mich freute, dass es sich freute, geboren zu werden und in meinen Armen zu liegen. Lange sah dies ungeborene Kind mich an, seine Augen waren voller Liebe. Dann drehte es den Kopf von mir weg, und ich begriff, es war müde und ich sollte es nicht länger stören.
Dieser Traum war so lebendig und eindrucksvoll, dass ich ihn nie vergessen werde.
Als meine Tochter geboren war und, wenige Tage alt, in meinen Armen lag, öffnete sie ihre Augen und sah mich an. Es war derselbe Blick, dieselben Augen, die mich damals im Traum angesehen hatten. Unendlich tiefe, weise Augen. Für einen Moment wiederholte sich dasselbe Erlebnis, das ich vorher im Traum hatte.“
Eine Mutter erlebt also im Traum ihr zukünftiges Kind, hat sogar ein Bild vor Augen, wie dieses Kind aussehen wird.
Ein anderes Beispiel: „Mein drittes und viertes Kind kündigten sich auf folgende Weise an: Ich deckte den Tisch, die beiden Großen saßen schon am Tisch, da saß plötzlich noch ein drittes Kind dabei. Ich sah es ganz deutlich, allerdings nur für einen Augenblick.
Einmal war ich mit den inzwischen drei Kindern auf dem Spielplatz. Plötzlich sah ich das dritte Kind, das noch im Kinderwagen saß, größer mit den anderen herumlaufen, gefolgt von einem vierten, das dem dritten ziemlich ähnlich sah.
Beide Male war es kein Traum, sondern am hellen Tage, wie ein kurzes Aufblitzen. Zu welchem Zeitpunkt, kann ich nicht mehr genau sagen, bei dem vierten Kind kann es etwa ein halbes Jahr vor der Konzeption gewesen sein.“
Es gibt auch Beispiele, wie Kinder selbst von früheren Erdenleben erzählen. Ein ganz köstliches Beispiel, wie ein Kind zu der Mutter spricht:
»Mami, wenn ich groß bin, da wirst du wieder klein, gell?
Und wie du klein warst, da war ich groß, und weil ich ein Junge bin, darum war ich dein Vater. Fehlt uns bloß noch eine Mutter. . .
Und wie ich klein war und weil ich ein Junge bin, darum bitte ich dich, meine liebe Mami zu werden . . . «
»Ich bin einmal gestorben und habe mich gemacht!«
Ein Vater erzählt: Es war im Frühling, als die kleine Justina (3 Jahre alt) nachmittags, während eines Gewitters in ihrem Bett wie tanzend, in einem aufgeregten, sehr stark emotionalen Zustand, freudevoll, folgende Sätze kindlich grammatikalisch nicht ganz richtig ausgesprochen hatte: »Ich bin einmal gestorben und habe mich gemacht!« (tanzend, freudevoll). »Ich werde einmal sterben, aber ich mache mich wieder!« »Wenn ich sterben werde, werde ich zum bunten Schmetterling, zum Bällchen!« »Ich habe schon einmal gelebt, ich war gestorben.«
Man könnte das als kindliche Phantasie abtun, aber wenn man es ernst nimmt, bedeutet es, dass Kinder als Wesen, mitunter sogar ohne sich physisch angekündigt zu haben, schon in irgendeiner Weise existent sein müssen. Viele Menschen, die solche Erlebnisse haben, schweigen lieber darüber, weil sie wissen, dass es abgelehnt wird.
man sucht seine Eltern, war auch schon mit seinen Geschwistern in Kontakt
C. P.: Was bedeutet es, wenn ein Mensch weiß: Ein Kind ist schon vor der Geburt existent? Woher kommt es? Kennt es die Eltern bereits?
H. Eller: Man kann aus der Anthroposophie sagen, dass Rudolf Steiner als Geistesforscher diese Dinge gründlich erforscht hat, und er hat sie uns so vermittelt, dass man sie durch Nach-Denken erarbeiten und verstehen kann, auch wenn man sie selbst noch nicht geistig zu „schauen“ vermag.
Wichtig ist der Grundgedanke, dass man vor der Geburt bereits existent ist, dass man seine Eltern sucht, mit seinen Geschwistern auch schon in Kontakt war und, noch einen Schritt mehr, dass man sie in einem früheren Leben bereits kennengelernt hat und seitdem eine Beziehung zu ihnen hat.
C. P.: Wie darf man sich das vorstellen, dass diese „Wesen“ vor der Geburt existieren?
H. Eller: Dazu gehört ein großer Gedankenschritt: Man sieht bei einem Menschen sein Physisches, ahnt das Seelische, das Geistige lehnt man vielleicht sogar ab. Aber man könnte den Menschen anders betrachten, aus der Sicht der Anthroposophie, dass er nicht nur eine physische Hülle hat, sondern dass darüber hinaus eine lebendige Kraft in ihm ist, weiterhin eine seelische Nuance und auch ein geistiger Kern, d. h. ein Ich, das von einem Erdenleben zum anderen geht. Das bedeutet dann auch, dass man damit rechnen muss, dass vor der Geburt und nach dem Tode etwas passiert.
C. P.: Wenn die Kinder die Eltern kennen und auch eine Beziehung zu ihnen haben – wie suchen sie sich als Individualität diese Eltern aus und warum? Welche Gesichtspunkte liegen da zugrunde?
H. Eller: Da muss man einen weiteren Schritt machen: Man ist in der geistigen Welt nicht alleine, sondern jeder Mensch hat eine geistige Begleitung, man kann auch sagen Genius oder Engelwesen, die einem von einem Erdenleben zum nächsten führt und auch das Leben aufarbeiten hilft. Durch diese Aufarbeitung hat man Gesichtspunkte, um mit bestimmten Menschen wieder zusammenzukommen. Es gibt die Aussage von Rudolf Steiner, dass man im letzten Leben die Eltern, mit denen man jetzt zusammenlebt, etwa in der Mitte des Lebens kennengelernt hat. Das Aussuchen geschieht auf höherer geistiger Stufe, wo außer den Engeln noch die Erzengel und Zeitgeister stehen.
Voller Hingabe wollen die zur Erde Strebenden zu ihren Eltern, die Liebe zu der Mutter ist besonders groß. Nach der Geburt beantwortet die Mutter wie ein Echo diese Liebe des Kindes.
C. P.: Es lässt sich nachvollziehen, dass sogar in den allerschlimmsten Familienverhältnissen eine Liebe da ist – aus therapeutischen Zusammenhängen kennt man das. Trotzdem die Frage: Wenn Kinder in zerrüttete Familienverhältnisse kommen, beispielsweise mit Gewalt, Alkohol etc. – suchen die Kinder sich das auch aus?
kurz vor der Geburt sein ganzes Leben einmal als Überblick
H. Eller: Das ist eine sehr berechtigte Frage, die sich aufdrängt. Ich kann das nur tastend beantworten. Schon die Griechen sagten, dass man kurz vor der Geburt sein ganzes Leben als Überblick einmal anschauen darf; danach, so die Griechen, trinkt man den Lethe-Trank, den „Trank des Vergessens“. Demnach weiß jeder Mensch durch diesen Vorblick, was auf ihn im Leben zukommt.
Aber dass Schwierigkeiten und Einbrüche kommen, darf man auch annehmen. Es bleiben große Rätselfragen, wie das dann im Einzelnen ist.
Es gibt ein geistiges Gesetz: Es wird einem nie mehr im Leben zugemutet, als man ertragen kann. So kann man das anschauen und an den Schwierigkeiten wachsen. Ich hatte eine Schülerin, die hatte im Elternhaus unglaubliche Schwierigkeiten und begann daher nach wenigen Schuljahren allein zu wohnen, ihr Leben in die Hand zu nehmen und erstaunlich gut zu meistern. Die Kräfte, die man an den Widerständen schult, um die geht es dabei.
C. P.: Da kommt auch der Moment der Freiheit: Man kann das als Schulung annehmen oder resignieren!?
Nahtodeserlebnisse zeigen die gleichen Phänomene
H. Eller: Natürlich können Menschen scheitern. Aber dann ist der Gedanke an neue Erdenleben tröstlich, weil es möglich ist, in einem neuen Leben etwas aufzuarbeiten.
Nach dem Tode geschehen auch Entwicklungen. Man kennt heute etliche Bücher, z. B. „Rückkehr von Morgen“ von George Ritchie (2), „Das Leben nach dem Tode“ von Brinkley (3)etc. (Literaturliste siehe am Ende des Interviews, Siehe auch hinweis Archiv https://www.hinweis-hamburg.de/ April 2010 „Endloses Bewusstein. Medizinische Fakten und ein Erfahrungsbericht zu Nahtoderfahrungen. Zusammenfassung eines Vortrages von Pim van Lommel und Sabine Mehne und hinweis 3/2008: Nahtoderfahrungen. Interview mit Siegfried Woitinas, Leiter der Stuttgarter Forschungsgruppe und Mitglied der „International Association For Near-Death Studies“). Diese Berichte zeigen alle, dass man nach dem Tode in einer anderen Weise existent ist. Bei allen diesen Menschen, die solche Nahtodeserlebnisse hatten, zeigten sich die gleichen Phänomene, die der amerikanische Professor Moody nach 500 Gesprächen in seinem Buch „Das Leben nach dem Tode“ zusammenfasst: Alle hatten zuerst ein Panorama, das ganze Leben stand in Einzelheiten vor einem inneren Gesicht. Alle Situationen in Gleichzeitigkeit, und man nimmt Sprache und Gedanken wahr. Das dauert – wie wir durch Rudolf Steiner erfahren – etwa drei Tage nach dem Tode und dann verschwindet das Bild langsam. Von diesem Panorama berichten auch Menschen, die einen beinahe tödlichen Autounfall hatten, abgestürzt sind oder andere Unglücke überlebten, dabei vorübergehend klinisch tot waren. Es gibt Tausende von Menschen, die das berichten; ich selbst kenne über dreißig, die mir das erzählt haben.
Nach diesem ersten Schritt kommt ein wunderbares Lichterlebnis, bei dem man einer geistigen Gestalt begegnet, je nach Religion unterschiedlich gesehen. George Ritchie war der Erste, der diese Gestalt als Christus bezeichnet hat. Diese Gestalt stellte in liebevoller Weise Fragen an ihn zu dem vergangenen Leben. Nach dieser Begegnung „geht“ man rückwärts durch sein eigenes Leben durch und sieht die Folgen seiner Taten. Andeutungsweise hat das Brinkley in seinem Buch geschildert: Er hatte Waffen transportiert und sah bei seiner Nahtodeserfahrung, was mit diesen Waffen und den Menschen, die diese töteten, geschah, sah des Weiteren die Folgen vieler seiner Taten. Bei ihm führte es dazu, dass er nach seiner Wiederbelebung sein ganzes Leben geändert hat.
Durch die Anthroposophie wissen wir: Dieses Rückwärtsgehen erfolgt in einem dreifachen Schritt, und zwar in etwa einem Drittel der gelebten Zeit. Wenn man beispielsweise 60 Jahre alt geworden ist, braucht man ca. 20 Jahre, um sein Leben rückwärts aufzuarbeiten (genau so viel Zeit, wie man in diesen Jahren geschlafen hat). Es ist aber nicht so, dass man sich selbst darin erlebt, sondern man erfährt das, was man an anderen Menschen, auch Tieren bewirkt hat, sozusagen wie in einem Spiegel. Wenn man zu jemandem freundlich und warmherzig war, spürt man jetzt, wie sie damals auf diesen Menschen gewirkt hat. Wenn man jemanden beschimpft hat, spürt man jetzt die Kränkung, die man verursacht hat. Das, was man während des Lebens nicht mitbekommen hat, vervollständigt sich nun. Dadurch bekommt man sozusagen Impulse, etwas wieder gut zu machen, was nicht in Ordnung war. Das sind die allerersten Anfänge, etwas mitzunehmen, um es in einem neuen Leben aufzuarbeiten, zu korrigieren, anders zu machen.
C. P.: Alles, was Sie da beschreiben, gibt es auch in anderen Kulturen und Religionen …
H. Eller: Ja. Beispielsweise im tibetischen Totenbuch wird das beschrieben, die Ägypter haben auch eine klare Anschauung vom nachtodlichen Leben. Sie haben das sogar in Bildern und in den äußeren Wegen in den Pyramiden und den damit verbundenen Tempeleinrichtungen dargestellt.
der Gang durch die Planetensphäre
C. P.: Was kommt nach dieser Stufe, in der man erlebt, was man anderen zugefügt hat?
H. Eller: Es kommt dann eine Phase, bei der man mit noch höheren Wesen in Beziehung tritt. Man geht durch die Planetensphäre. Das lässt sich mit wenigen Worten nicht darstellen. Man löst sich völlig von dem Erdenleben, lernt es anschauen, verstehen, darf es vergleichen mit noch früheren Erdenleben, sammelt Kräfte und bekommt umfangreiche Gesichtspunkte für ein neues Erdenleben. In der „Weltenmitternacht“, so nennt das Rudolf Steiner, steht man in der Mitte zwischen dem vergangenen und dem neuen Leben. Dann zieht es einen wieder zur Erde. Schon Platon hat es so dargestellt, dass einen die Pferde da runter ziehen.
C. P.: Und warum zieht es einen wieder zur Erde runter?
H. Eller: Es ist das Bedürfnis, die Dinge neu zu greifen, sich weiter zu entwickeln; Entwicklung geschieht nur auf der Erde. In der geistigen Welt könnte man über Vergangenes Reue haben wie man will – es ist nichts mehr zu ändern. In einem neuen Leben bekommt man die Möglichkeit, neu zu handeln.
Als Lehrer dachte ich immer: „Wie bin ich froh, dass ich nicht wusste, was ich mit meinen Schülern in einem früheren Leben zu tun hatte.“ Und auch gut, dass die Schüler es nicht wussten. Die Dinge, die in Ordnung zu bringen sind, kommen auf einen zurück.
Wird die Menschheit besser?
C. P.: Wenn die Menschen stark den Impuls mitbringen, Fehler und Versäumtes auszugleichen, etwas in Ordnung zu bringen, müsste man doch in der allgemeinen Menschheit einen moralischen Fortschritt sehen. Müssten dann nicht Egoismus, Habgier, Machtbedürfnisse etc. weniger werden?
H. Eller: Solche Fragen kann man nur vorsichtig beantworten.
Die großen Vorbilder gibt es ja. Wenn man das Leben des Christus betrachtet, hat er das größte Menschliche vorgelebt, was man erreichen kann. Es ist ja interessant, dass wir zunächst das Gegenteil dieser hohen Ideale erleben, was man auch im täglichen Leben beobachten kann: Wer sich etwas Großes, besonders Gutes vornimmt, wird geprüft und hat mit Hindernissen, Gegenkräften zu tun. Auf dem Weg zu einer gesunden Selbstlosigkeit wird erst einmal der Egoismus den ersten Platz einnehmen (bis zu einem gewissen Grade ist er ja auch gesund), aber bis wir eine so hohe Tugend und viele andere dazu errungen haben werden, brauchen wir noch mehrere Erdenleben!
das Denken war nicht immer so, wie wir es heute kennen
Bislang war es so, dass man etwa tausend Jahre rechnen musste, bis ein Mensch wiederkommt, mal als Frau, mal als Mann. Wenn wir tausend Jahre zurückrechnen, sind wir im Mittelalter. Ein wichtiger Aspekt ist, dass das Denken nicht immer so war, wie wir es heute kennen. Die Menschen haben früher sehr bildhaft gedacht; im Mittelalter war es abends dunkel und die Väter haben die ganze Bibel auswendig erzählt. Das waren erstaunliche Fähigkeiten, aber die intellektuellen Möglichkeiten waren weit hinter dem, was wir heute haben. Unser heutiger Intellekt ist eine ganz neue Denkfähigkeit; in der Anthroposophie wird ein lebendiges und schöpferisches Denken, vor allem in der Pädagogik, geschult, weil das in die Zukunft führt.
In dem, wie man heute denken kann, liegt ein Menschheitsfortschritt. Wenn man beginnt, bewusst mit dem Gedanken der Reinkarnation umzugehen, wird man mehr und mehr sein Verhalten zu anderen Menschen ändern, weil man beispielsweise weiß, dass das, was man mit Zorn oder gar aus Hass gegen einen Mitmenschen tut, nicht verschwindet, sondern auf einen zurückschlägt und andere Folgen haben wird als wenn man einem Menschen gegenüber etwas aus Liebe tut. Zu Ihrer Frage, ob Egoismus, Missgunst, usw. nicht weniger werden müssten, möchte ich ja sagen, aber es wird wohl erst die fernere Zukunft – nach unseren weiteren Erdenleben, wenn wir jeweils die Folgen dieses Handelns nachtodlich aufgearbeitet haben werden – möglich sein. Jeder kann auf seine Weise dazu beitragen!
Ereignen sich große Katastrophen, so bringen diese das Persönliche, das, was sich ein Mensch im Leben vorgenommen hat, durcheinander.
C. P.: Wenn man sich das jetzt in diesen Kategorien betrachtet: Die Kinder suchen sich die Eltern aus, wir kommen aus dem Mittelalter, werden mal als Mann, dann wieder als Frau geboren … Das hört sich sehr geordnet an. Könnte es sein, dass im Zuge der allgemeinen Unordnung diese Ordnung auch ins Schwanken kommt, z. B. werden Kinder abgetrieben, die Mediziner greifen bei Geburten und auch beim Sterben manipulativ ein, durch Kriege sterben viele Menschen zu früh, die ihre Lebensaufgabe nicht vollendet haben etc.?
Gibt es nur das Gute?
H. Eller: Ich denke schon, dass man das miteinbeziehen muss. Natürlich gibt es, bedingt durch Abtreibungen, Kinder, die nicht zu den Eltern kommen können, zu denen sie wollen. Man muss sich – vorsichtig tastend – fragen, ob sie sich dann nicht einen anderen Weg suchen.
Man kann sich auch fragen: Gibt es nur das Gute? Es ist ja ein wunderbarer Gedanke, dass man sich seine Eltern sucht. Aber es gibt auch Widersacher; Gegenkräfte, die einen zu stark an die Erde fesseln wollen und andere, die einen „davonfliegen“ lassen möchten. Als Mensch muss man immer eine Mitte suchen. Dieses Gesetz bleibt.
C. P.: Heute stehen wir ja vor dem Problem, dass immer mehr Menschen geboren werden. Wo kommen heute die vielen Menschen her?
H. Eller: Da fällt mir immer das Bild ein von Goethe: „… des Menschen Seele gleicht dem Wasser, vom Himmel kommt es, zum Himmel steigt es, wieder nieder zur Erde muss es, ewig wechselnd.“ Das ist sein Bild für die wiederholten Erdenleben. Wenn im Sommer wochenlang blauer Himmel ist – wo ist dann das Wasser? Aber es ist doch da! Und dann auf einmal regnet es unaufhörlich in Strömen. Und zurzeit „regnet es stark“, d. h. es kommen viele Menschen auf die Erde. Es wird wieder eine Zeit geben, in der weniger Menschen auf die Erde kommen.
C. P.: Könnte man es formulieren, dass das von Ihnen Dargestellte ein Urbild ist, und man muss davon ausgehen, dass es Abweichungen, Verschiebungen usw. gibt?
H. Eller: Ja, so kann man das sehen.
Die Kinder erziehen sich an uns selbst
C. P.: Die Kinder suchen die Eltern aus, suchen umgekehrt auch die Eltern die Kinder aus?
H. Eller: In diesem Sinne nicht, aber ohne es bewusst zu wissen, kennen sie sich. Nun ist aber interessant, dass die Eltern durch die Kinder manchmal große Schwierigkeiten bekommen. Eine Mutter fährt gerne aus der Haut, ist cholerisch und hat nun ausgerechnet ein phlegmatisches Kind, was unglaublich langsam ist, so dass sie fast verzweifelt. Aber es ist eine wunderbare Aufgabe für die Mutter, dass sie das, von dem sie meint, dass es das Richtige sei, loslässt. Die Achtung vor der Würde des anderen muss unbedingt in die Pädagogik rein. Rudolf Steiner sagt den interessanten Satz: Die Kinder erziehen sich an uns selbst. Es gibt nur Selbsterziehung, d. h. die Eltern müssen an sich arbeiten, sie müssen schauen, dass sie mit sich selbst weiterkommen. Daran können die Kinder wachsen.
Die Eltern bekommen Aufgaben durch die Kinder, und die Lehrer natürlich auch. Wenn ein Lehrer sagt, dass er seit 20 Jahren dasselbe im Unterricht macht, wird er erleben, dass das nicht mehr wirkt.
C. P.: Könnte man also sagen, dass es für die Eltern einerseits ein Trost ist zu wissen, dass das Kind sie ausgesucht hat, bei den ganzen Unzulänglichkeiten, die man ihnen präsentieren muss, und auf der anderen Seite könnte man aber auch sagen, dass man zusammenpasst, weil man speziell mit den eigenen Schwächen konfrontiert wird?
H. Eller: Ja, so könnte man das sehen. Eltern werden durch die Kinder wach gemacht, so dass sie auch selbst vorankommen. Entwicklung und Selbsterziehung sind die entscheidenden Gesichtspunkte.
C. P.: Wann erscheint Ihr Buch?
H. Eller: Es ist für die 100-Jahr-Feier der Waldorfpädagogik gedacht, die 2019 stattfindet. Es handelt von der Entwicklung des Kindes: dass es zu den Eltern will und welche Folgen damit verbunden sind. Es wird erscheinen in dem Verlag Freies Geistesleben.
Literaturliste
(1) „Gespräche mit Ungeborenen“ Dietrich Bauer, Max Hoffmeister, Hartmut Götz, 1986
(2) „Rückkehr von Morgen“ von George Ritchie, 1943
(3) „Zurück ins Leben“ von Dannion Brinkley, Paul Perry 1994
(4) Moody: „Das Leben nach dem Tode“
(5) Dr. med. Eben Alexander: „Blick in die Ewigkeit“ 2012
(6) Sabine Mehne „Licht ohne Schatten“ 2013
(7) Pim van Lommel: „Endloses Bewusstsein“
(8) Arie Booger: „Wir und unsere Toten“ 1993