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Anthroposophische Meditation
vertieftes Erkennen der Welt und innere Belebung
Interview mit Dr. Christoph Hueck
Anthroposophische Meditation ist innerlich aktiv und konzentriert. Es geht darum, über das bloße Gedanken- und Vorstellungsbewusstsein hinauszukommen und dass die Inhalte innerlich lebendig, bildhaft und erlebbar werden. Wer regelmäßig meditiert, wird eine spürbare innere Bereicherung erfahren.
Interviewpartner: Dr. Christoph Hueck studierte Biologie und Chemie, promovierte im Fach Genetik, forschte in Deutschland und den USA. Tätigkeiten als Waldorflehrer, Dozent für Waldorfpädagogik und anthroposophische Meditation, Redakteur der Zeitschrift „Die Drei“ und Mitbegründer der Akanthos-Akademie für anthroposophische Forschung und Entwicklung in Stuttgart.
Christine Pflug: Es gibt viele Arten zu meditieren. Was ist Mediation? Was speziell ist anthroposophische Mediation?
Christoph Hueck: Im anthroposophischen Verständnis ist Meditation eine innere Übung, die dazu führt, sich über feine seelische Vorgänge bewusst zu werden, die das Alltagsbewusstsein sozusagen „verschläft“. Eine einfache Übung, die Rudolf Steiner in seinem wunderbaren Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten“ beschrieben hat, ist zum Beispiel die genaue Beobachtung einer sprießenden oder einer welkenden Pflanze und das anschließende „innere Ruhen“ auf den Empfindungseindrücken, die man dabei hat. Man kann solche Empfindungen in inneren Bewegungen, Formen und Farben verbildlichen. Das ist ein imaginativer, gleichsam künstlerischer Prozess. Dadurch wird dasjenige, was man als subtile Empfindungen an der wachsenden oder welkenden Pflanze erlebt, innerlich anschaubar. Auf diese Weise blickt man tiefer in die Lebensprozesse als im gewöhnlichen Bewusstsein, wird sozusagen „vertraut“ mit ihnen, lernt sie wie von innen kennen. Zugleich erlebt man eine ungemein schöne, inspirierende und belebende Wirkung auf das eigene Bewusstsein und Lebensgefühl. – In ähnlicher Art kann man andere Natureindrücke meditieren. Es gibt auch anthroposophische Bild- und Wortmeditationen, bei denen man im Prinzip ähnlich vorgehen kann: Vertiefung in den Inhalt und imaginative Anschauung der Empfindungseindrücke, die man dabei erlebt.
Anthroposophische Meditation ist also innerlich aktiv und konzentriert. Sie strebt ein vertieftes Erkennen der Welt an und bewirkt eine innere Belebung und Bereicherung.
Meditieren ist eine durch und durch freiwillige Angelegenheit.
C. P.: Warum sollte man überhaupt meditieren?
C. Hueck: Von Sollen kann eigentlich keine Rede sein (lacht). Meditieren ist eine durch und durch freiwillige Angelegenheit. Wer meditiert, insbesondere wer das regelmäßig schafft, wird aber, wie gesagt, eine spürbare innere Bereicherung erleben. Man wird klarer, wacher, konzentrierter, offener, gesünder, schläft besser, arbeitet effektiver, usw. Ich darf hier auf eine Studie hinweisen, die ich gerade zusammen mit Ulrich Weger von der Universität Witten/Herdecke und Terje Sparby vom Rudolf Steiner University College in Oslo durchführe. Wir haben ca. 60 Teilnehmende, die seit Anfang August ein bis zwei Mal pro Tag meditieren und ihre Erfahrungen protokollieren. Aus diesen Berichten – und aus meiner persönlichen Erfahrung – stammen die genannten Ergebnisse des Meditierens. Eine Teilnehmerin erzählte kürzlich, dass sie kein Fernsehen mehr sehen möchte, weil sie so reich erfüllt sei durch die inneren Bilder aus ihrer meditativen Arbeit. Anthroposophische Meditation gibt sozusagen Seelennahrung von innen.
C. P.: Was braucht man dafür an Voraussetzungen, welche sind günstig?
C. Hueck: Nun ja, man braucht schon den Impuls und den Willen, und man muss sich eben jeden Tag 10 bis 15 Minuten ungestörte Zeit nehmen, in der man noch nicht – wie am späteren Abend – zu müde ist. Außerdem ist eine gute Anleitung hilfreich, um den Einstieg zu finden. Ich habe daran jahrelang gearbeitet und in vielen Gruppen Erfahrungen gesammelt. Eine Zusammenfassung findet man auf der Homepage der Akanthos Akademie (www.akanthos-akademie.de/meditation). Es gibt auch gute Einsteiger- und Übungsseminare, z.B. bei Thomas Mayer und Agnes Hardorp (www.anthroposophische-meditation.de).
Man weckt sozusagen etwas in sich auf, einen – wie Rudolf Steiner sagte – „höheren Menschen“.
C. P.: Welche Erfahrungen macht man, könnte man machen, nach einiger Zeit?
C. Hueck: Ich habe ja schon einige Erfahrungen beschrieben. Die Bedeutendste ist meiner Meinung nach eine vorher ungeahnte Bereicherung des inneren, seelischen Lebens. Man weckt sozusagen etwas in sich auf, einen – wie Rudolf Steiner sagte – „höheren Menschen“, der eine innere Licht-, Wärme- und Kraftquelle ist. Wenn man das Meditieren mit dem Studium von Steiners Schriften verbindet, erlangt man nach und nach immer reichere und tiefere Einsichten in die Welt und das Leben. Eigentlich gehören die Meditation und das anthroposophische Studium zusammen. Wichtig ist aber, dass man beim Meditieren über das bloße Gedanken- und Vorstellungsbewusstsein hinauskommt, dass die Inhalte innerlich lebendig, bildhaft und erlebbar werden – sonst erreicht man nichts, und dann kann es auch frustrierend sein.
C. P.: Welche Hindernisse gibt es auf diesem Weg?
Das größte Hindernis ist aber der nachlassende Wille.
C. Hueck: Wenn man es überhaupt schafft, regelmäßig zu meditieren, dann kann es natürlich schon so sein, dass man z.B. bestimmte schöne Erlebnisse noch einmal haben möchte – was aber oft nicht ohne Weiteres gelingt. Man müsste es schaffen, um des Meditierens selbst willen zu meditieren, nicht, um bestimmte Ergebnisse zu erreichen.
Das größte Hindernis ist aber der nachlassende Wille. Es ist sehr hilfreich, wenn man sich mit ein, zwei oder drei Freunden verabredet, die auch meditieren, und sich dann regelmäßig über die Erfahrungen austauscht.
Man sollte die Meditation klar beginnen und klar beenden.
Manchmal erleben Menschen, insbesondere junge, dass sie durch diese Art von Meditation gleichsam aus ihrem Körper herausgehen und dann nicht mehr richtig zurückkommen. Das ist auf jeden Fall nicht gesund. Man sollte die Meditation klar beginnen und klar beenden. Neulich erzählte mir eine junge Frau, dass sie nach dem Meditieren alle Muskeln intensiv anspannt, um sich wieder zu „inkarnieren“.
denjenigen Meditationsinhalt auswählen, den man selbst schön und für sich passend findet
C. P.: Können Sie den Leser:innen eine besondere Mediation für die Weihnachts-Neujahrszeit mitgeben?
C. Hueck: Ich empfehle immer – und mache das auch selbst so – denjenigen Meditationsinhalt auszuwählen, den man selbst schön und für sich passend findet. Natürlich ist das Weihnachtsbild der Krippe mit all den dazu gehörenden Menschen ein wunderbarer Mediationsinhalt: Die Reinheit Marias, die Demut Josephs, die Hingabe der Hirten, die Weisheit der Könige. Reinheit, Demut, Hingabe und Weisheit, das könnte man zum Beispiel meditieren. Und dann das strahlende Licht des Sterns und die Verletzlichkeit und zugleich die künftige Erlöserkraft des Jesuskindes.
imaginativ in Bewegungen, Farben, Licht- und Wärme-Eindrücken verbildlichen
Wenn man sich all das – einzeln oder nacheinander – in innerer Ruhe vergegenwärtigt, als tiefe Empfindungen in sich wachruft und imaginativ in Bewegungen, Farben, Licht- und Wärme-Eindrücken verbildlicht, dann schafft man sich ein schönes Gegengewicht gegen den äußeren Weihnachtsrummel.
Ich selbst meditiere seit vielen Jahren ein Mantram aus der frühen theosophischen Zeit Rudolf Steiners:
Strahlender als die Sonne,
Reiner als der Schnee,
Feiner als der Äther
Ist das Selbst,
Der Geist in meinem Herzen.
Dies Selbst bin ich.
Ich bin dies Selbst.
Fr, 26. Januar 2024, 19:00 Uhr (Vortrag) & Sa, 27. Januar 2024, 09:30 – 15:30 Uhr (Seminar)
Rudolf Steiner Haus Hamburg
Spirituelle Entwicklung auf dem Schulungsweg der Anthroposophie
Vortrag und Seminar mit Dr. Christoph Hueck. Die Anthroposophie beschreibt einen kontemplativen Schulungsweg, durch den das Bewusstsein so erweitert und vertieft werden kann, dass das Geistige im Menschen und in der Welt immer bewusster erfahren wird. Der Schulungsweg besteht sowohl in meditativen Übungen als auch in der ethisch-moralischen Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit. Die Übungen stellen auch eine unerschöpfliche innere Kraftquelle dar. Im Vortrag wird dieser Weg beschrieben, im Seminar werden konkrete Übungen zu den genannten Aspekten der Schulung durchgeführt.