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Von Nahrungsmitteln zu Lebensmitteln
Interview mit Joachim Bauck, Landwirt und Sprecher der Bäuerlichen Gesellschaft
In den letzten Jahren, besonders nach der BSE-Krise, sind wir Verbraucher mit dem Kauf unserer Lebensmittel bewusster geworden. Der Umsatz von Bio-Ware im Handel ist in den letzten Jahren um ca. 15% gestiegen. Bis 2007 waren die EU-Kontrollkriterien für Bio-Ware relativ lasch, d. h. es durften konventionelle Stoffe dazu gemischt werden. Ab diesem Jahr gelten strengere Richtlinien – erfreulicherweise. „Es ist uns durch eine sehr intensive Arbeit gelungen, dass bei den EU-Richtlinien das Niveau geblieben ist und zum Teil hat es sich noch gebessert“, so Joachim Bauck.
Dennoch gibt es in dem Bio-Bereich weiterhin qualitative Unterschiede. Die Landwirte gehen gemäß ihrem unterschiedlichen Hintergrund mit ihrem Hof und der Natur anders um. Das wirkt sich auf die Produkte und Lebensmittel aus.
Christine Pflug: Es gibt seit einigen Jahren das Bio-Siegel, eingeführt von der damaligen Landwirtschaftsministerin Renate Künast. Es ist auf Bio-Waren, die es auch außerhalb der Bioläden zu kaufen gibt. Wofür bekommt man dieses Bio-Siegel?
Joachim Bauck: 1992 haben es die Anbauverbände in Deutschland geschafft, dass wir in Brüssel eine EU-Öko-Verordnung bekommen haben. Bis dahin konnte jeder auf dem Markt behaupten, sein Produkt sei Bio oder ökologisch – der Begriff war nicht geschützt. Seit 1992 haben wir eine gewisse Ordnung.
Für diese Öko-Richtlinien gilt, egal ob die Ware aus Indien, China oder Europa kommt, dass keine Pestizide, Fungizide, Insektizide drin sind, es dürfen keine Hormonmittel, Antibiotika, gewisse mineralische Dünger angewendet werden. Es sollte möglichst ein geschlossener Hoforganismus sein, es sollte wenig von außen an Futtermittel zugekauft werden. Noch bis 2007 durfte man 5 – 15% konventionelle Futtermittel dazu nehmen, seit 2008 ist es beim Rindvieh 0%, beim Schwein 5%.
Bio-Ware und Demeter
C. P.: Was ist der Unterschied von der Bio-Ware mit dem Öko-Siegel zu Demeter-Produkten?
J. Bauck: Beim Bio-Siegel muss man Mindeststandarte einhalten. Der Landwirt kann weiterhin konventionell denken, er tauscht nur Stoffe aus.
die „Hofindividualität“ pflegen
Demeter will mehr: statt „Nahrungsmitteln“ sollen „Lebensmittel“ hergestellt werden. Beispielsweise brauche ich als Mensch Kultur: eine schöne Wohnung mit Bildern, Pflanzen, man geht ins Konzert, malt, musiziert usw. So ist es auf dem Hof auch: es ist nicht nur eine Stätte, wo etwas produziert wird, sondern es gehört dazu, dass man sich um den Umwelt- und Naturschutzgedanken bemüht, dass man Hecken pflanzt, in denen Insekten, Vögel leben können. Rudolf Steiner hat auf den Hoforganismus, auf die „Hofindividualität“ hingewiesen, wie diese zu entwickeln ist, wie die Landschaft und unser Umfeld dazu gehört. Durch die Präparate werden Boden und Pflanzen sensibel für die kosmischen Einflüsse.
Auf dem Bauckhof haben wir beispielsweise ein Wald mit 65 Baum- und Straucharten, wir haben 400 Vogelkästen aufgehängt, wir kümmern uns um die Ameisen usw. Das sind alles Dinge, die uns der Endverbraucher eigentlich nicht bezahlt. Demeter- und EU-Bio-Milch sind für viele Verbraucher das gleiche Produkt.
wissenschaftlicher Nachweis zur Demeter-Ernährung
C. P.: Wirkt sich diese Naturpflege auf die Lebensmittel aus?
J. Bauck: Wir hatten immer das Problem, das zu beweisen, damit es nicht nur schöne Gedanken oder Gefühle sind. Der Forschungsring für biologisch-dynamische Wirtschaftsweise hat mit wissenschaftlichen Prüfungsmethoden dafür eine Studie gemacht – die sog. Klosterstudie. Die Forschungsgruppe bestand aus 50 Klosterschwestern, die in einem Kloster lebten. In diesem Kloster haben 26 Schwestern bei der Demeter-Ernährung mitgemacht; sie führten genau Buch über alles, was sie aßen und füllten zu Kontrolle Fragebögen aus. Nachdem sie sich drei Wochen lang ausschließlich von Demeter ernährt hatten, führte das zu einer Besserung des körperlichen und seelischen Befindens, sie konnten besser meditieren und beten, besser schlafen. Auch vieles an Krankheiten und Beschwerden hörte auf, z. B. wurde hoher Blutdruck abgesenkt und es wurde ein Immunstatus festgestellt, der auf geringeren Stress hindeutete (siehe: www.Forschungsring.de).
Obwohl die Studie so erfolgreich war, hatte die Klosterleitung danach nicht erlaubt, dass weiterhin biologisch-dynamisch gegessen wurde. Nachdem dann nach einer gewissen Zeit wieder alle Krankheiten aufgetaucht waren, haben sie sich doch entschlossen, den Betrieb und die gesamte Ernährung umzustellen.
Ein weiteres Beispiel: Die Kühe sind heute zu 95% enthornt, weil man meint, dass die Kuhhörner gefährlich seien. Bei Demeter ist es verboten zu enthornen. Wir haben dafür mit der Berufsgenossenschaft mehrere Prozesse geführt, die wir alle gewonnen haben.
Sobald der Mensch in die Natur eingreift, schlägt das immer wieder negativ auf die Menschheit zurück
Inzwischen kümmert sich ein Wissenschaftler Tom Baas in Witzenhausen um dieses Thema. Er arbeitet mit einer Kinderklinik zusammen. Bisher kann er mit seiner Forschung nachweisen, dass die Milch von Kühen, die Hörner haben, für die Säuglinge wesentlich verträglicher ist als andere Öko-Milch von Kühen ohne Hörner. Diese Studie ist noch nicht abgeschlossen, aber die bisherigen Ergebnisse sind so, wie wir es uns gedacht haben: Sobald der Mensch in die Natur eingreift und aus Kostengründen, zur Rationalisierung oder Technisierung etwas ändert, schlägt das immer wieder negativ auf die Menschheit zurück.
C. P.: Wird das Bio-Siegel von der EU geprüft?
J. Bauck: Es gibt Kontrollstellen und jeder Betrieb, egal ob Hof, Verarbeitung, Großhandel wird jedes Jahr einmal geprüft. Einmal mit einer angemeldeten Kontrolle und dann gibt es Stichproben, wo die Kontrolleure unangemeldet kommen.
C. P.: Und wie wird Demeter kontrolliert?
J. Bauck: Die Demeter-Zusatzrichtlinien werden noch einmal extra überprüft, z. B. die Präparateanwendung, die Einhaltung der kosmischen Rhythmen, ob man sich um den Naturhaushalt mit seinen Hecken, Teichen, Amphibien, Insekten, Vögeln usw. kümmert, ob genügend Demeter-Futter zur Verfügung steht und ob Saatgut in Demeter- oder Ökoqualität eingesetzt wird.
In Deutschland muss zusätzlich jeder Hof ein Betriebsentwicklungsgespräch führen. Der betreffende Landwirt lädt sich zwei andere Demeter-Bauern ein, die mit kritischem Blick auf den Hof schauen, und bespricht mit ihnen wichtige Fragen. Das kann den Pflanzenanbau, die Tierhaltung betreffen, es können aber auch finanzielle oder rechtliche Fragen sein. Es kommt darauf an, dass jeder Hof die Chance hat sich zu entwickeln. Nur wer diese Entwicklungsgespräche geführt hat und dazu einen Betriebs-Fragebogen mit 200 Fragen abgegeben hat, erhält die Demeter-Urkunde.
Was ernährt den Menschen?
C. P.: Was, außer Kalorien, Mineralien, Eiweißen und sonstigen Stoffen, bekommt der Mensch durch die Nahrung?
J. Bauck: Rudolf Steiner wurde 1922, also bevor er den „Landwirtschaftlichen Kurs“ hielt, von Ehrenfried Pfeiffer auf einer Zugfahrt gefragt: „Wie kommt es vor allem, dass trotz theoretischer Einsicht der Wille zur Tat, zur erfolgreichen Durchführung der geistigen Impulse so schwach ist?“ Er meinte, dass die Menschen immer zahlreich zu Steiners Vorträgen kamen, begeistert waren, Beifall klatschten, aber nichts von dem Gehörten umsetzten. Es kam nun die denkwürdige und überraschende Antwort: „Dies ist ein Ernährungsproblem. So wie die Ernährung heute gestaltet ist, gibt sie den Menschen gar nicht mehr die Kraft, das Geistige im Physischen manifest zu machen. Die Brücke vom Denken zum Wollen und Handeln kann nicht mehr geschlagen werden. Die Nahrungspflanzen enthalten gar nicht mehr die Kräfte, welche sie dem Menschen geben sollten“.
Die Pflanzen sollen wieder sensibel werden für kosmische Einflüsse
Die ganze Landwirtschaft war damals – 1922 – noch völlig ökologisch, also frei von Pestiziden, Fungiziden usw. Es gab keine Traktoren, der Kunstdünger kam nach dem ersten Weltkrieg. Ich würde sagen, dass die Nahrung besser war als der heutige EU-Bio-Standard, und trotzdem befand Steiner die Landwirtschaft als sehr schwach. Deshalb hatte er später auch den „Landwirtschaftlichen Kurs“ gehalten, in dem er darauf hingewiesen hat, dass die Pflanzen vom Kosmos abgeschnitten seien. Dafür hat er die Anleitung für die Präparate gegeben. Die Pflanzen sollten wieder sensibel werden für kosmische Einflüsse, „Es kommt vor allem darauf an, dass die Segnungen der Präparate möglichst großen Landflächen über die ganze Erde hin zugeführt werden, zur Heilung der Erde, und um die Nahrungsqualität der Feldfrüchte.“
Dr. Steiner hat uns in vieler Hinsicht die Augen geöffnet. Nur einige Schlagwörter: Er hat uns gezeigt, dass die Erde ein Lebewesen ist und mit dem ganzen Kosmos – Tierkreis, Planeten, Sonne und Mond – verbunden ist.
Die Erde und damit die Pflanzen und Tiere sind heute stark geschädigt und degenerieren. Dieses kann man täglich durch die Flut von Pilzen, Bakterien, Viren usw. erleben (BSE, Aids, Varoamilbe). Die Ursachen des Waldsterbens liegen an der Massentierhaltung, am Verkehr und an der Industrie. Die Baumwipfel sind in 30 m Höhe verpilzt, was dem Baum den Atem nimmt. Das Pilzwachstum, was in der Erde dringend nötig ist, hat sich von dort herausgehoben. Wenn man richtig biologisch-dynamisch arbeitet, gibt es in dieser Weise kein Pilzwachstum. Wir müssen das Getreide nicht gegen Pilze spritzen, in der konventionellen Landwirtschaft wird das bis zu fünfzehnmal gemacht, und trotzdem gibt es immer noch Pilze. Das ist ein gutes Beispiel, wie biologisch-dynamische Arbeitsweise für die ganze Menschheit von Bedeutung ist.
Rudolf Steiner sagte 1924 im 2. Vortrag des Landwirtschaftlichen Kurses: “Wir müssen wiederum neue Kenntnisse erwerben, um in den ganzen Naturzusammenhang solcher Dinge zu kommen. Die Menschheit hat keine andere Wahl, als entweder auf den verschiedensten Gebieten aus dem ganzen Naturzusammenhang, aus dem Weltenzusammenhang heraus wieder etwas zu lernen, oder die Natur ebenso wie das Menschenleben absterben, degenerieren zu lassen“
Natürlich geht es bei der Ernährung auch um Gesundheit. Ich ergänze dazu immer, dass die biologisch-dynamischen Produkte dafür da sind, dass sich die Menschen geistig weiterentwickeln können. Wir als Demeter-Bauern sind dafür angetreten, dass die Menschen in das Handeln kommen können mit gesunden Lebensmitteln und dass die Erde als Gesamtorganismus gesundet.
Am 11. Januar, freitags, 20 Uhr, findet im Rudolf Steiner Haus ein Vortrag zu diesem Thema statt:
Billig-Bio und Qualitäts-Bio – trennen sich die Wege? Woran kann sich VerbraucherIn zukünftig orientieren?
Immer mehr Läden und Supermarktketten führen Bio-Produkte, auch zunehmend Discounter. Ist Bio gleich Bio, unabhängig davon, in welcher Verkaufsstelle es angeboten wird? Vortrag von Nikolai Fuchs . Veranstalter: ZeitZeichen