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Meditation
Interview mit den Meditationslehrern Agnes Hardorp und Thomas Mayer
Meditieren hilft heute zum Überleben: um mehr bei sich anzukommen, sich selbst besser kennenzulernen, mehr Ausgeglichenheit und Seelenruhe zu erreichen etc.
Es kann ein weiteres Ziel sein, durch anthroposophische Meditation die Wahrnehmungen zu verfeinern und die übersinnliche Welt differenziert zu erleben. Agnes Hardorp und Thomas Mayer haben alleine in Hamburg seit 9 Jahren über 30 Seminare angeboten, in denen sie Meditationstechniken lehren. Das gemeinsame Meditieren in Gruppen hilft, sich gegenseitig anzuregen und zu korrigieren.
Interviewpartner:
Agnes Hardorp, Meditationslehrerin, Musikerin, Eurythmistin. Geb. 1959 in Hamburg, verbrachte über die Hälfte ihres Lebens in den USA, Diplom in Kodaly-Musikpädagogik, Magister in Geschichte, Kenntnisse in Alexandertechnik. Sie gibt seit 2004 zusammen mit Thomas Mayer Kurse zur anthroposophischen Meditation.
Thomas Mayer, Meditationslehrer, Bürgerrechtler, Autor. Geb. 1965 in Kempten, 1988 Mitbegründer von Mehr Demokratie e.V. , bis 2001 Büroleiter bzw. Geschäftsführer von Mehr Demokratie e.V., ab 1997 Konzeption und Vorbereitung von Regiogeldern, bis 2006 Gesellschafter des OMNIBUS FÜR DIREKTE DEMOKRATIE, seit 2004 zusammen mit Agnes Hardorp Kurse in Anthroposophischer Meditation, mehrere Buchveröffentlichungen.
Kontakt:
Christine Pflug: Dieses Seminar, das Ihr im Dezember geleitet habt, war mindestens das dritte von unterschiedlichen Meditationsseminaren, die innerhalb des letzten Quartals im Rudolf Steiner Haus angeboten wurden. Euer Seminar war von 35 TeilnehmerInnen besucht; viele üben nachher in selbstorganisierten Gruppen weiter. Warum ist dieses Thema so aktuell?
Agnes Hardorp: Ich denke, die Menschen kommen immer mehr weg von Konsumveranstaltungen, in denen sie Informationen aufnehmen, vielleicht auch wunderschöne Kunst erleben, aber danach nicht wirklich in ihre eigene Kraft gekommen sind. Sie möchten sich selbst schulen, transformieren, um einen eigenen Zugang zur geistigen Welt zu bekommen.
Thomas Mayer: Ich glaube, das wird noch zunehmen, denn meditieren ist eigentlich eine Frage des Überlebens. Ich wundere mich, wie man es schafft, heute ohne Meditation seelisch und geistig gesund zu bleiben. Es ist völlig selbstverständlich, dass man zum Erhalt des physischen Körpers essen und trinken muss, und genau so braucht es eine Grundernährung für die Seele und den Geist. Die Menschen werden immer sensibler – Rudolf Steiner sprach davon, dass die Menschheit als Ganzes über die Schwelle geht – und so muss man sich im Geistigen neu greifen.
C. P.: Habt Ihr selbst übersinnliche Wahrnehmungen? Und falls ja, wie seid Ihr dazu gekommen?
A. Hardorp: Ich würde sagen, dass jeder Mensch übersinnliche Wahrnehmungen hat, aber das nicht unbedingt so einordnet. Für mich ist es wichtig zu unterscheiden: Wann fühle ich mich selbst – ich nenne das Eigengefühl – und wann erlaube ich der geistigen Welt, dem Elementarwesen oder was immer ich auch wahrnehme, sich durch mich „hindurchzufühlen“?
Es ist nicht mein subjektives Gefühl, sondern es ist ein objektives Gefühl
Es ist eine Art Umschalten: Es ist nicht mein subjektives Gefühl, sondern es ist ein objektives Gefühl, es hat eine andere Qualität. Es ist wie ein hörendes, lauschendes Achten. Die Aufmerksamkeit in diesem „umgeschalteten Modus“ wird auf ganz feine Gefühle gelenkt, die ins Herz fließen. Meine Ätheraura wird von einem Elementarwesen jeweils ganz anders konfiguriert, wenn ich mich „in es hineinstelle“. Heutzutage haben viele Menschen Bilder von etwas Geistigem, regelrechte Filme, die ablaufen. Ich halte es für interpretationsoffen, wo das herkommt, vielleicht aus dem eigenen Astralleib – das ist schwierig einzuordnen. Wenn man aber auf dem beschriebenen Gefühlsniveau bleibt, hat man gute Unterscheidungsmöglichkeiten.
Wir leben wir in einer Kultur, in der einem das ausgeredet wird
T. Mayer: Ich habe sozusagen ständig übersinnliche Wahrnehmungen, aber das ist etwas völlig Normales. Es ist für mich normal, mit Verstorbenen umzugehen oder Engelskräfte zu spüren, und natürlich sind die Elementarwesen auch immer um uns herum. Jedes Kind lebt mit den Elementarwesen. Das ist aber auch nichts Besonderes, es gehört dazu, wie wenn man einen Toaster anstellt, den Boden kehrt etc. Das erlebt meiner Ansicht nach auch jeder so, . Die Frage ist meines Erachtens nicht, ob Menschen übersinnliche Wahrnehmungen haben, sondern ob sie diese erkennen und weiterhin, ob sie diese verfeinern, kultivieren, differenzieren. Das ist die heutige Aufgabe: in ein reines Wahrnehmen zu kommen, den ganzen intellektuellen Überbau für einen Moment fallen zu lassen und dann die Wahrnehmungen wieder mit dem Denken zu ergreifen.
C. P.: Wie kann man diese Wahrnehmungen schulen und kultivieren?
A. Hardorp: Beispielsweise machen wir in den Kursen eine Meditation mit einem Stein als Basisübung, dann Chakra-Übungen, Aura-Übungen, wo wir uns auf unsere Wahrnehmungsorgane, auch die übersinnlichen, besinnen. Die Chakren sind die ätherisch-astralen Wahrnehmungsorgane, die wir zur Verfügung haben. Wir lenken die Aufmerksamkeit darauf, was sie tun, wenn es keinen Inhalt gibt. Und dann achten wir darauf, was passiert, wenn man einen Inhalt hineingibt, z. B. einen Text, ein Bild etc.
Man merkt dabei, welches Instrumentarium man hat, bzw. wie man dieses weiterentwickeln kann. Ich bin persönlich durch die Mediationskurse viel sicherer geworden mit meinen eigenen Wahrnehmungen, vorher hatte ich geistige Erlebnisse mehr zufällig und dann auch wieder nicht. Die regelmäßige Mediation gibt eine solide Basis.
Die Grundlage ist, dass ich mich seelisch immer im Lot halte
T. Mayer: Die Schulung ist ein ständiger Prozess; es geht dabei auch darum, die eigenen Blockaden, biografischen und seelischen Hindernisse kennenzulernen. Das muss man ständig aufarbeiten, denn wenn man das nicht macht, geht eine feinere Wahrnehmungsfähigkeit verloren. Ich kann es mir beispielsweise gar nicht leisten, mit jemandem in einem längeren Streit zu sein ohne diesen zu lösen, weil dann meine Wahrnehmungsfähigkeit nachlässt. Die Grundlage ist, dass ich mich seelisch immer im Lot halte. Dazu kommt ein dauerndes Studium, ein fortwährender Austausch mit Kollegen, weil man nur in einem sozialen Kontext die Erlebnisse klären kann. Es ist eine falsche Vorstellung, dass jemand übersinnliche Wahrnehmungen hat und dann „kann“ er das. Das stimmt überhaupt nicht: Man sieht vielleicht eine kleine Ecke, aber um das Feld zu erweitern, muss man dauerhaft etwas dazugewinnen. Man nimmt nur eingeschränkt wahr entsprechend der eigenen Möglichkeiten. Wenn man sich darin geschult hat, bestimmte Erd-Elementarwesen wahrzunehmen, sieht man diese und sonst keine. Man muss erstmal kennenlernen und darin vertraut werden, wie sich ein Wasser-Elementarwesen anfühlt. Stück für Stück erobert man sich dieses Gebiet. Manche meinen, so etwas ginge schnell, aber es ist meistens eine jahrzehntelange Arbeit.
Und immer braucht man dabei die Korrektur von anderen Menschen.
C. P.: Ich war selbst auf dem Seminar dabei und fand, dass die Teilnehmer einerseits seelisch-subjektive Erfahrungen beschrieben haben, andererseits kamen immer wieder übereinstimmende Aussagen, beispielsweise beim Wahrnehmen von Elementarwesen an der Alster. Wann beginnt eine übersinnliche Wahrnehmung und wann ist es eine rein persönliche Erfahrung?
T. Mayer: Den Unterschied kann man meiner Ansicht nach so nicht machen. Eine übersinnliche Wahrnehmung beginnt dann, wenn etwas mit den physischen Sinnen nicht wahrzunehmen ist. Wenn ich in einen Raum hineinkomme und die Atmosphäre spüre, beispielsweise dass die Stimmung angespannt ist oder dass Freude in der Luft liegt, ist das eine übersinnliche Wahrnehmung. Und dann ist die Frage, wie weit man den eigenen subjektiven Standpunkt mit hineinmischt, aber vermeiden lässt sich das nicht, weil man immer einen Standpunkt hat. Es gibt keine Wahrnehmung ohne einen Wahrnehmenden, es gibt immer ein Subjekt zum Objekt. Wenn ich auf der einen Seite vom Elefanten stehe, sehe ich seinen Rüssel, und ich muss einen anderen Standpunkt einnehmen, um sein Hinterteil zu sehen. Je mehr ich gelernt habe, verschiedene Standpunkte einzunehmen, desto besser.
Leider wird einem in der Erziehung und in der Schule nicht beigebracht, objektiv fühlen zu lernen
Im Grunde ist das alles nicht kompliziert, es ist nur unsere kulturelle Prägung, in der immer gesagt wird, das Seelische sei subjektiv und hätte nichts mit der objektiven Welt zu tun. Es ist der Ausdruck des Materialismus, dass man das Seelische wegradiert hat, und wenn sich Menschen nicht gerade in einer persönlichen Krise befinden, sind wahrscheinlich 70-80% der Gefühle objektiv, d. h. anderes fühlt sich durch sie durch. Wenn man darauf achtet, kann man das fein erkennen und unterscheiden. Das Problem ist, wenn dabei das Selbstbewusstsein fehlt; das wurde uns ausgeredet. Leider wird einem in der Erziehung und in der Schule nicht beigebracht, objektiv fühlen zu lernen.
A. Hardorp: Es kommt noch etwas dazu. Thomas ist ein „Naturtalent“, z. B. Elementarwesen wahrzunehmen. Mir war das zunächst nicht so gegeben, und ich habe seine Übungen lange Zeit einfach nur mitgemacht wie eine Teilnehmerin. Irgendwann hatten wir eine große Gruppe von 30 Teilnehmern, und es blieb mir nichts anderes übrig, als die Hälfte der Gruppe zu nehmen. In dem Moment, wo ich mich in diese Rolle gestellt hatte, für die anderen etwas zu ermöglichen, quasi ein Gefäß zu sein, konnte ich plötzlich die Elementarwesen wahrnehmen. Es hatte sich eine andere Ebene eröffnet. So lange ich es nur für mich machen wollte um etwas zu erleben, war eine gewisse Tür zu.
T. Mayer: Das ist ein Grundgesetz: Übersinnliche Wahrnehmung braucht immer einen moralischen-sozialen Kontext. Die geistige Welt gibt etwas frei, und wenn man nur aus reiner Neugier etwas erleben will, funktioniert das nicht.
Es ist ein Irrtum, dass Wissenschaft dann beginnt, wenn der Mensch und das Moralische außen vor sind. Vielleicht gilt das für die Physik, aber für alles Seelisch-Geistige gilt das überhaupt nicht; man braucht einen ethischen Kontext.
C. P.: Was ist das Spezielle an anthroposophischer Mediation?
A. Hardorp: In der anthroposophischen Mediation gehen wir immer durch eine Formkraft, d. h. wir gehen entweder von einem Gegenstand, einem Satz, einem Bild aus. Wir geben etwas in das Bewusstsein und „holen es damit ab“. Wir gehen durch diese Formkraft durch, lassen uns davon prägen, dann lassen wir den Inhalt wegfließen, bleiben in der Konzentration und sehen dann, was sich daraus ergibt. Das ist eine Leere, die durch die Form gegangen ist, und die Form bleibt in gewisser Weise erhalten; sie „zieht etwas an“, vielleicht ein Geistwesen, das sich ausdrücken möchte. Gedanken gehören zum Werkzeug, sie sind nicht Illusionen, die wir wie Wolken vorbeiziehen lassen und die man möglichst schnell aus dem Weg haben will.
Es ist eine Errungenschaft der westlichen Kultur, dass man die Gedanken quasi an den Hörnern anpackt
Es ist eine Errungenschaft der westlichen Kultur, dass man die Gedanken quasi an den Hörnern anpackt: Man geht durch den Verstand, durch eine Phase des Besinnens, die eine Bedeutung hat, um dann in die Meditation vorzustoßen.
C. P.: Wären Gedanken in diesem Sinne Wortmeditationen, wenn Ihr beispielsweise den Prolog des Johannes-Evangeliums vorlest?
A. Hardorp: Gerade der Prolog aus dem Johannes-Evangelium ist dafür ein gutes Beispiel: Rein auf der Verstandesebene dringt man nicht zu der Bedeutung vor; es muss etwas anderes dazu kommen.
„Aha, da ist eine Blockade“
T. Mayer: Um fein wahrzunehmen muss man die Wahrnehmungen mit Gedanken durchdringen. Beispielsweise stellt jemand fest, dass er im Herzchakra eine Blockade hat; dazu muss er erstmal denken: „Aha, da ist eine Blockade“. Man bemerkt es, kann dann weiter hinein gehen mit der Frage, was der Grund der Blockade ist. Es kommen noch weitere Gedanken, die einem vielleicht die Ursache der Blockade verdeutlichen. Man macht das Denken zu einem Wahrnehmungsorgan.
Die Idee des anthroposophischen Meditierens ist, die Wahrnehmungen zu verfeinern und die übersinnliche Welt differenziert zu erleben.
Das steht aber nicht im Gegensatz zu allen anderen seriösen Meditationsschulen, sondern es ergänzt sich. Man braucht die Herzensbildung des Sufismus – ohne die geht gar nichts –auch nicht in der Anthroposophie. Und man braucht als Basis unbedingt das leere Bewusstsein, was im Zen-Buddhismus geschult wird. Wenn man das nicht zur Verfügung hat und immer mit dem Intellekt voranredet, kommt man auch zu nichts.
Wenn man die Schulungswege weltweit betrachtet, setzen sie Schwerpunkte, aber die einzelnen Elemente gehören zusammen.
Wichtig ist auch zu erwähnen, dass es beim Meditieren um übersinnliche Wahrnehmungen gehen kann, das muss es aber nicht. Es kann auch sinnvoll sein, um mehr bei sich selbst anzukommen, sich selbst besser kennenzulernen, zu mehr Ausgeglichenheit, Seelenruhe zu kommen etc. Dafür ist es auch da. Die übersinnliche Wahrnehmung, bzw. Geistesforschung ist ein Ziel, das man dabei erreichen kann, aber überhaupt nicht muss. Meditation ist etwas für Jedermann, bzw. Jederfrau.
C. P.: Ich kann aber persönlich sagen, dass ich auf dem Seminar, z. B. bei der Arbeit mit den Chakren, eigene Schwächen bemerkt habe. Das war für mich mehr zum Schrecken als zur Seelenruhe …
A. Hardorp: Es ist das allerwichtigste, das zu bemerken. Erst dann kann wirklich eine Veränderung anfangen. Wenn man immer nur darüber hinweggeht, kommt man nicht weiter. Die Wahrnehmung dessen, was ist, ist schon die halbe Miete.
C. P.: Und wäre es dann ein Weg, es mit Hilfe der Meditation zu verändern?
A. Hardorp: Beispielsweise bemerken Kursteilnehmer, dass im Bereich des Solarplexus alles stumpf ist. Sie merken aber auch, dass sie in einer anderen Region Kraft haben, die sie dann in den Solarplexus hinleiten können. Auch wenn es in minimalen Schritten passiert, haben sie es in der Hand etwas zu ändern. Das wäre beispielsweise ein Ansatz.
T. Mayer: Oder es wird einem klar, welche biografischen oder seelischen Themen damit zusammen hängen. Dann weiß man, an welcher Stelle man „dran bleiben“ muss. Man darf nicht erwarten, dass mit ein paarmal meditieren etwas erreicht ist. Aber alleine das Wahrnehmen von diesen Schwächen verändert etwas. Das ist vergleichbar damit, wenn man mit einem anderen Menschen einen Konflikt bespricht, verändert das schon die Situation und macht es leichter.
C. P.: Es ist eine anspruchsvolle Angelegenheit, dass alles mit sich alleine zu machen, ohne beispielsweise die Hilfe eines Therapeuten …
A. Hardorp: Es gibt beispielsweise eine Meditationsübung zum eigenen höheren Selbst. Ich erlebe die wie eine „Münchhausen-Übung“, bei der man sich am eigenen Schopf ergreift. Das ist nicht eine Anfängerübung und nicht für Jedermann auf der Straße so schnell zu machen, aber das Prinzip ist in allen Übungen vorhanden: Alles was man macht, geschieht durch die eigene Ich-Aktivität. Und das ist stärkend.
Außerdem bietet Thomas für die Teilnehmer der Meditationskurse individuelle Sitzungen an, wenn bestimmte biografische Themen hochkommen, um diese aufzuarbeiten.
T. Mayer: Meditation ist kein Ersatz für eine Therapie. Aber man kann schauen, wie weit man kommt, und dann kann man auch viel besser mit einem Therapeuten arbeiten.
Nähere Daten siehe Homepage: www.anthroposophische-meditation.de