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Die Kunst des Schenkens und die Direkte Demokratie
Vortrag von Johannes Stüttgen
Wie finden wir heute zu einer eigenen Identität, die mit den wirtschaftlichen Verhältnissen übereinstimmt? Das ist nur möglich, wenn wir den Begriff der Arbeit neu fassen. Wenn Arbeit selbstbestimmt und frei ist im Sinne der „Sozialen Plastik“, beinhaltet sie Verantwortung für die Gestaltung der Welt und auch die Erfüllung der eigenen Lebensaufgabe, mit der wir auf die Erde gekommen sind. Wir entwickeln die eigene Identität im Laufe des Lebens in Begegnung mit den Widerständen. Da wir das aber nicht alleine hervorbringen können, müssen wir uns dabei gegenseitig Hebammen-Hilfe leisten, damit dieses „Künstlertum“ geboren werden kann.
Dazu brauchen wir die Gleichberechtigung, die wir uns schenken können mittels der direkten Demokratie. Dann kann das Geld- und Wirtschaftsleben rechtlich so neu geordnet werden, dass es gemeinnützig ist und uns hilft, durch unsere Arbeit zu uns selber zu kommen.
Johannes Stüttgen hielt seinen Vortrag am 11. September in Hamburg in der Veranstaltung mit dem Titel „Die Kunst des Schenkens. Vom Kampf ums Überleben zur Arbeit aus Liebe zur Sache“, veranstaltet von der Gemeinnützige Treuhandstelle Hamburg, der GLS Bank Filiale Hamburg und dem „OMNIBUS für Direkte Demokratie“. Die anderen Referenten an diesem Abend waren Prof. Götz W. Werner und Ise Bosch.
Johannes Stüttgen, geb. 1945, ist Künstler und Gesellschafter des OMNIBUS für Direkte Demokratie und arbeitet an der Einführung der bundesweiten Volksabstimmung. Er praktiziert die Neubestimmung der Begriffe aus dem Denken. Stüttgens gesellschaftliches Engagement ist eng angelehnt an die Ideen (z. B. den Erweiterten Kunstbegriff, die Soziale Plastik) von Joseph Beuys, dessen engster Freund und Mitarbeiter er war. Er lebt und arbeitet in Düsseldorf.
Im Moment ist mir eher so zumute, dass mir das Wort im Mund stecken bleibt. Es fällt mir nicht leicht, über die jetzige Situation zu sprechen, die der Menschheit buchstäblich auf den Leib rückt. Es ereignen sich Dinge, mit denen man hätte rechnen können, weil die Vorgänge, die sich abspielen, eigentlich sehr logisch sind. Es braucht nicht viel Phantasie sich zu überlegen, wie wir in einen Zustand hineingekommen sind, in dem zum ersten Mal die große Politik zumindest ausstrahlt: Wir wissen nicht weiter! Es wurde mal Zeit, dass die Menschen sagen: Wir sind mit unserem Latein am Ende. Im Prinzip sind wir in dieser Situation schon etwas länger, aber mittlerweile bekommt das auch der Letzte mit. Es ist eine Situation, in der man die eigene Unfähigkeit zum Ausgangspunkt machen muss und nicht all die Dinge, die wir schon begriffen und gelernt haben und die uns genau zu dem Zustand führten, in dem wir jetzt stecken.
Ein wirkliches Geschenk kommt immer aus der Liebe heraus.
Zum Thema Schenken: Schenken ist eigentlich das Größte und Schönste, was es überhaupt gibt, es ist der Inbegriff der Liebe. Ein wirkliches Geschenk kommt immer aus der Liebe heraus. Und die Liebe als solche ist bedingungslos. Das liegt in der Natur dieses Vorgangs. In der Regel kommen wir gar nicht darauf, diese Dimension im Zusammenhang mit dem Wirtschaftsleben zu verbinden, und in der Tat haben wir heute einen Wirtschaftsbegriff, der wahrhaftig das Gegenteil von Liebe ist. Unser Wirtschaftsbegriff, mehr oder weniger der Kapitalismus, ist eigentlich der Ausgangspunkt von globalem Egoismus. Dieser globale Egoismus ist begründbar; ich will das gar nicht moralisch beurteilen. Das Ganze ist ein Problem der Eigentumsfrage, denn Schenken bringen wir heute zusammen mit der Tatsache, dass man dazu Eigentum braucht. Was soll ich sonst verschenken, wenn nicht mein Eigentum? Und gerade die Eigentumsfrage ist im Kapitalismus ein Problem geworden, weil der Begriff des Eigentums letztlich etwas Privates darstellt, deshalb sprechen wir auch von Privatkapitalismus. Eigentum ist eine Größe, die möglicherweise auf dem Sektor, auf dem in Zukunft wirtschaften möglich und nötig wird, abgeschafft werden muss. Wir müssen den Begriff des Eigentums innerhalb des Wirtschaftlichen neu lokalisieren und feststellen, dass Eigentum im Wirtschaftlichen auf die Konsumseite gehört und nicht auf die Produktionsseite, falls man sich überhaupt den Unterschied zwischen Produktions- und Konsumfeld anschauen will. Im Kapitalismus wird nämlich dieser Unterschied nicht deutlich genug gezogen; Aktionäre sind eigentlich Konsumenten von Funktionsstätten. Das ist im Prinzip ein Widersinn, weil Eigentum nur dort erworben werden kann, wo ein Produkt geliefert wird. Insofern ist der Kapitalismus eine überholte Größe, und möglicherweise stecken wir in einem Wirtschaftsbegriff, mit dem wir uns auf die Dauer nicht identifizieren können.
Die Begriffe Arbeit und Eigentum ganz neu bestimmen.
Damit bin ich bei meinem Kernthema. Ich glaube, dass wir heute an einer Schwelle sind, in der es um Identität geht, nämlich ob ich mit den Verhältnissen innerlich übereinstimmen kann. Und je weniger ich als „Ichwesen“ mit den Verhältnissen übereinstimme, desto weniger ist damit zu rechnen, dass die Verhältnisse mit mir im Zusammenhang stehen. Dass ich von den sog. wirtschaftlichen Verhältnissen zerrissen werde, ist meines Erachtens das Kernproblem, das unsere Identität von Grund auf zerstört. Denn Identität wird immer mehr privatisiert: „Holt Euch Eure Freiheit nach der Arbeit zuhause ab.“ Und wie es zuhause aussieht, wissen wir ja alle! Insofern sind wir meines Erachtens gezwungen, die Begriffe Arbeit und Eigentum ganz neu zu bestimmen. Eigentum hat auf der Produktionsseite der Wirtschaft nichts verloren, umso weniger, je mehr die Wirtschaft arbeitsteilig ist. Das hat Rudolf Steiner auch schon frühzeitig festgestellt. Wirtschaftlich bin ich in Form der Arbeitsteiligkeit vor allem dann, wenn ich nicht für mich, sondern für andere arbeite. Man könnte auch sagen: Je weniger ich für mich arbeite und je mehr ich für den Bedarf arbeite, desto wirtschaftlicher ist der Vorgang. Schon bei dieser Beschreibung merkt man, dass da kein Platz für Eigentum ist, wohl aber viel Platz für eigene Verantwortung! Das ist ein großer Unterschied. Die Produktionsverantwortung, also die schöpferische Verantwortung, die ich für meine Arbeit übernehme, hat mit Eigentum nichts zu tun. Und diese Unterscheidung müssen wir innerlich in uns selber erst mal vollziehen und prüfen, ob wir dazu überhaupt in der Lage sind.
Es ist immer noch so, dass der Eigentumsbegriff der Garant für Verantwortung ist.
Denn zurzeit ist es immer noch so, dass der Eigentumsbegriff der Garant für Verantwortung ist, und man sichert mit diesem Begriff auch die Verantwortung ab. Das halte ich für einen verhängnisvollen Punkt, weil der Begriff des Eigentums ein Ersatz für den Begriff „das Eigene“ ist. Die Identität, die ich mit den Verhältnissen übernehme, ist im Grunde die Zukunft der Menschheit. Mit „ich“ meine ich nicht nur mich, sondern jeden von uns. Wie weit ist eine Ichinstanz heute überhaupt noch im Spiel? Oder ist es so, dass die Ichinstanz am Arbeitsplatz für die Zeit der Arbeit verkauft wird, damit man sie nachher in der Freizeit wieder abholen kann? Das heißt, man braucht einen größeren und umfassenderen Freiheitsbegriff, und dieser Freiheitsbegriff muss unbedingt den Begriff der Arbeit miteinbeziehen, er darf nicht weiter zurückgestellt werden in Richtung Freizeit oder „Freiraum“. Der Freiheitsbegriff ist das A und O für einen menschentauglichen Arbeitsbegriff. Die Frage ist: Wie kommen wir dahin?
Eine Stufe von Arbeit, die etwas mit der Selbstbestimmung zu tun hat.
Ich komme aus der Kunst, und das bedeutet, dass man mit einer Arbeit zu tun hat, die völlig in der Freiheit begründet ist. Aber nicht Freiheit im Sinne von Willkür „der Künstler kann machen, was er will“, sondern der wirkliche Kunstbegriff bezieht sich nicht auf die Selbstbestimmung des Künstlers, sondern auf die Selbstbestimmung des Kunstwerks. Ein Kunstwerk ist ein in sich selbst begründetes, stimmiges Arbeitsergebnis, das der Künstler hervorgebracht hat, aber letztlich geschenkt bekommt. Früher sagte man: geschenkt durch die Muse. Es ist eine Kraft wirksam, die über mich persönlich als Ego hinausreicht, denn wenn ich als Ego dafür zuständig wäre, würde ich nur Blödsinn verzapfen. Ein Kunstwerk geht einen höheren Ichbegriff ein, es ist eine höhere Stufe von Arbeit, die anklingt und die etwas mit der Selbstbestimmung zu tun hat, die sich nicht in mir erschöpft, sondern es ist eine Selbstbestimmung, die sich auch auf die Dinge und Zustände, beispielsweise auf Wasser, Flüsse bezieht. Sind die Flüsse selbstbestimmt, d.h. sind sie identisch mit sich selbst? Habe ich als Künstler dafür gesorgt, dass die Dinge mit sich in eine Identität kommen und dass sie stimmig sind? Dazu brauche ich eine innere Stimme, die mich in Übereinstimmung bringt mit den Gegebenheiten der Welt, mit anderen Worten: Ich habe die Verantwortung für die Gestaltung der Welt. Und das ist, was Beuys die Soziale Plastik genannt hat. Die Soziale Plastik ist ein Begriff, der aus der Zukunft heraus etwas in Aussicht stellt, aber das, was aus der Zukunft heraus in Aussicht gestellt wird, ist unsere Bestimmung, mit der wir geboren werden.
Auf dieser Erde ist von uns eine Aufgabe zu erfüllen.
Ich stelle das in groben Zügen an einer Zeichnung dar (Siehe Zeichnung Seite 9)
Es geht um die Frage: Was ist meine Bestimmung? Und die Frage nach meiner Bestimmung ist die Frage nach meinem künstlerischen Auftrag: Wozu werde ich geboren? Warum bin ich hier auf der Erde? In der Regel haben wir bei der Geburt vergessen, warum wir auf der Erde sind. Ich betone das, weil es möglich ist, dass wir selbst daran beteiligt waren, überhaupt geboren zu werden, denn auf dieser Erde ist von uns eine Aufgabe zu erfüllen. Und diese Aufgabe hat damit zu tun, dass wir uns selber gegen den Widerstand der irdischen Bedingungen behaupten lernen, dass wir unsere eigene Selbstbehauptung und Freiheit dadurch steigern, indem wir in die Auseinandersetzung gehen, indem wir einen schwierigen Weg einschlagen, den aber bewusst, weil wir wissen, dass durch diese Schwierigkeiten unser Ich vergrößert wird. Diese Ich-Vergrößerung ist genau das, um was es geht: Ich muss herausfinden, wo ich hin will, denn das Ziel der Identität bin ich selber (siehe Zeichnung). Ich entwickle mich zu mir selbst. Und diese Entwicklung ist auf der Erde verbunden mit ungeheuren Widerständen, die mich in meiner Ich-Kraft steigern. Diese Steigerung läuft letztlich darauf hinaus, dass ich dahinterkomme, unter Umständen erst beim Tod, dass ich selbst derjenige war, der dafür gesorgt hat, dass ich auf die Erde komme, dass Selbstbestimmung von mir selber stammt, aber über den Umweg der äußeren Bedingungen und der Arbeit, die ich leisten muss – und das nenne ich Identität. Das müssen wir uns richtig klar machen, um zu begreifen, dass das Arbeitsergebnis Soziale Plastik nicht nur eine Zukunftsvision ist, sondern dass sie bereits in uns wirksam ist. Es ist etwas in mir im Keim wirksam, was ich entwickeln soll. Und alleine die Tatsache, dass ich diese Wirksamkeit in mir selber erkenne, dass ich dahinter steige, dass sie da ist, hat den Freiheitsbegriff schon erweitert, denn das hier (siehe Zeichnung) als meine zukünftige Bestimmung ist in mir als Keim schon tätig. Und um das deutlich zu machen (er malt die Linie der Zeit auf der Tafelskizze):
Der Künstler ist selber das Kunstwerk.
Es gibt die Linie der Zeit, und es findet darauf die Aktion statt. Sie sehen, ich spreche von Aktionskunst, die sich darin von anderer Kunst unterscheidet, dass der Künstler selber das Kunstwerk ist, also der Gegenstand der Gestaltung – das ist wichtig zu verstehen, weil dann erst klar ist, wer überhaupt der Künstler ist. Ich behaupte, ich bin der Künstler, aber ich behaupte gleichzeitig, dass ich es gar nicht alleine sein kann, sondern alle um mich herum sind es auch. Denn im Ich-Begriff findet etwas statt, was über mich hinausweist auf alle anderen. Sonst wäre es kein Begriff, sondern unter Umständen nur eine Einbildung. Im Ich-Begriff sind alle „Iche“ vorhanden, aber dieser Ich-Begriff ist nur zu haben, indem ich über meine eigene Grenze blicke und eine künstlerische Bestimmung übernehme, die über meinen Schatten hinaus weist.
Es ist etwas wirksam in uns, das nenne ich die Gegenzeit.
Und jetzt komme ich zu dem Begriff des Geschenkes: Das ist in dem Zusammenhang etwas ganz Eigenartiges; es gibt etwas in uns, man könnte es den eigenen Ichkern nennen, das ist etwas ganz Tiefes, das jeder von uns auch kennt. Wir kommen mit einem großen Wissen auf die Welt und leben, um das zu begreifen, d. h. der Begriff ist etwas, was wir uns erarbeiten müssen, aber er ist bereits in uns wirksam. Auf die Zeichnung bezogen: Es ist etwas wirksam in uns, das nenne ich die Gegenzeit. Das tritt hier rein (malt auf Tafel), man könnte das auch die Muse nennen, die aus der Zukunft kommt und in uns etwas anstößt, in dem wir uns selber wiedererkennen, um über diesen Weg sozusagen in eine Kommunikation zu treten. Denn die Soziale Plastik kann nur entstehen, indem wir das gemeinsam machen. Hier ist ein höheres Ich wirksam, aber dieses höhere Ich müssen wir in uns selber erst entdecken.
Der Kapitalismus ist immer noch die überlebte Form, die meint, das Ich würde sich im Egoismus beschränken. Aber das ist Quatsch! Natürlich war das eine Zeit lang notwendig, das will ich gar nicht in Frage stellen, aber diese Zeit ist abgelaufen. Im Grunde sind die kapitalistischen Ideologien vergiftet, und sie hindern uns daran, zu uns selber zu kommen. Deshalb können wir frohen Mutes sagen: der nächste Schritt ist die Direkte Demokratie! Warum? Die Sache ist ganz einfach. Bis jetzt habe ich über den Kunstbegriff gesprochen, und es hat sich herausgestellt, dass durch die Konzentration auf den Begriff der Kunst sich plötzlich zeigt, dass dieser Begriff erweitert ist, also dass er sich auf alles bezieht. Kunst bezieht sich in dem Begriff, so wie ich ihn vertrete, auf jede menschliche Arbeit.
Jetzt wollen wir doch mal schauen, was in mir steckt!
Mit anderen Worten: Wenn Beuys gesagt hat „Jeder Mensch ist ein Künstler“, dann ist das keine Übertreibung, sondern eine Beschreibung dessen, was in mir selber als eine Potenz darauf wartet, wachgeküsst zu werden. Und diese müssen wir uns gegenseitig wachküssen. Wir sind auf der Welt, um uns gegenseitig Hebammen-Hilfe zu leisten, damit dieses Künstlertum geboren werde. Insofern habe ich an diesem Punkt (Tafelzeichnung) über das Prinzip der Freiheit gesprochen im erweiterten Sinne, also nicht Freiheit im Sinne von Freizeit, Privatheit oder von Freiräumen, sondern Freiheit im Sinne: Jetzt wollen wir doch mal schauen, was in mir steckt! Auch wenn diese Freiheit erst mal noch sehr klein ist, das ist uninteressant, kann ich aber an diesem Punkt ansetzen. Die nächste Stufe ist dann sehr schnell erreicht, indem ich feststelle, dass ich es nicht alleine schaffen kann. Diese Unfähigkeit sieht doch heute jeder ein! Deshalb sage ich auch, dass die von uns gewählten „Überforderten“ sich mal ihre Unfähigkeit eingestehen sollten, dann kämen wir weiter. Denn die Unfähigkeit ist der Ausgangspunkt für die Kunst, sie ist das Nichts, der Nullpunkt, an dem wir neu ansetzen können.
Die nächste höhere Stufe der Freiheit nennt man die Gleichberechtigung.
Der nächste Schritt, für den wir dann die direkte Demokratie brauchen, ist ganz einfach: Wir treten von der Freiheit in die nächste höhere Stufe der Freiheit, und die nennt man die Gleichberechtigung. Ich sage nicht, wie es üblich ist, dass die Gleichberechtigung eine Beeinträchtigung der Freiheit sei – nach dem Motto: So ein Mist, die anderen sind auch noch da, und die sind außerdem noch gleichberechtigt – dann kann ich ja gar nicht machen was ich will! So mancher Unternehmer hatte vor hundert Jahren – heute geht das nicht mehr – solche Träume. Die Gleichberechtigung ist eine ganz hohe Substanz, die wir aber selber erzeugen müssen. Das heißt, die wirkliche Demokratie haben wir noch gar nicht, sondern was wir jetzt haben ist eine Art von schematischem Vorspiel, mit Hilfe von zentralistischen Vorgängen, die man nicht ganz beseitigen kann, wir brauchen ja immer noch eine Regierung, aber das sind Dinge, die wir in Zukunft alle überwinden müssen zugunsten der Selbstverwaltung. Das Regierungsprinzip ist ziemlich am Ende, und jetzt beginnt das Prinzip der Selbstverwaltung. Und diese ist die Möglichkeit der Arbeitsteiligkeit, die wir miteinander auf der Grundlage der Gleichberechtigung leisten. Deshalb schlagen wir vom OMNIBUS für Direkte Demokratie vor, dass wir dieses Prinzip der Gleichheit, das sich auf das Rechtsleben bezieht, in drei Stufen umsetzen (Tafelzeichnung).
Auf diesem Weg zu rechtsverbindlichen Ergebnissen
Diese drei Stufen sind sehr einfach zu beschreiben. Die erste Stufe ergibt sich ganz logisch aus der Freiheit des Ichwesens, indem nämlich das Ichwesen in dieses Feld der Demokratie, bzw. gesellschaftlichen Gestaltung einsteigt und die Funktion übernimmt, eine Idee zu initiieren. Ganz einfaches Beispiel: Einer von uns hätte plötzlich die Idee, dass man die Massentierhaltung oder die Produktion von Waffen verbieten müsse; er hätte dann die Möglichkeit, mit dieser Idee eine Initiative, eine Volksinitiative zu gründen, und wenn man die dann erfolgreich umgesetzt hätte, 100.000 Stimmen im Falle der bundesweiten Volksabstimmung, dann hätte diese Initiative eine bestimmte Größe und das Recht, dem Bundestag vorgelegt zu werden. Der könnte darüber verhandeln. Angenommen, der Bundestag würde die Volksinitiative annehmen, dann hätte sich der Fall erledigt, und es könnte die nächste Initiative kommen. Wenn das erst mal anfängt, dann geht es richtig los! Denn das ist viel interessanter als bloß zu demonstrieren, weil man mit diesem Weg zu rechtsverbindlichen Ergebnissen käme, denn es handelt sich um den Bereich des Rechtslebens (Zeichnung an die Tafel). Der nächste, interessante Schritt, wenn das Parlament die Umsetzung verweigern würde, wäre das Volksbegehren; es ginge dabei nicht darum, ob man bei einem bestimmten Anliegen dafür oder dagegen ist, sondern ob es diese Initiative wert wäre, abgestimmt zu werden. Das ermöglicht einer Initiative, ihre Relevanz zu zeigen und auch die Resonanz, die sie hat; wir haben gesagt, dass dazu eine Millionen Unterschriften nötig seien – das ist zunächst eine These, die genauen Zahlen müssen noch besprochen werden. Darüber würde das Parlament wieder abstimmen, und dann wäre im Falle einer Zustimmung der Fall wieder erledigt.
Das „Herzorgan“ der Gesellschaft
Im Falle einer Ablehnung käme es dann aber zu einem Volksentscheid. Ich nenne dies das „Herzorgan“ der Gesellschaft: Hier (siehe Zeichnung) stoße ich mit diesem Pfeil rein, d. h. komme mit der Initiative, und falls es erfolgreich ist, stoße ich in den dritten Bereich. Dieser ist unsere ganze Wirtschafts- und Geldordnung, und man könnte dann im Rechtsbereich Initiativen starten, die Vorschläge zur Veränderung unseres Wirtschafts- und Geldrechtes wären, indem man beispielsweise klarstellt, dass das Geld kein Wirtschaftswert ist, sondern ein Rechtsregulator. Dieser Stich (siehe Tafelzeichnung) zielt in die Mitte des Drachens, in dieses merkwürdige Gebilde, das sich Wirtschaftsleben nennt, in Wirklichkeit aber nicht wirtschaftlich ist, weil es die Lebens- und Menschenbedingungen infrage stellt, attackiert und zerstört. Dieser Kapitalismus, der sich ja nur scheinbar Wirtschaftsleben nennt, der in Wirklichkeit ein Drache ist, dem haut man das Schwert mitten ins Herz und holt aus dem Herz das Geld, damit es ins Rechtsleben kommt.
Damit will ich sagen, dass wir uns auf ein inneres Geschenk einlassen müssen, das wir uns gegenseitig schenken, nämlich die Gleichberechtigung. Wir müssen sie in uns selber erwirken, nicht auf ein Blatt Papier warten, das uns parlamentarisch vorgesetzt wird, sondern in der Erzeugung der Gleichberechtigung entsteht die Aktionskunst. Und diese führt zu der Möglichkeit einer ganz anderen Wirtschaftsordnung, die an sich schon per Begriff gemeinnützig ist, denn Wirtschaft bedeutet Gemeinnützigkeit.
Verschriftlichung des Vortrags: Christine Pflug