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100 Jahre biologisch- dynamische Landwirtschaft
Beiträge von Knut Ellenberg, Dieter Scharmer, Anna Breden
Tagtäglich die Erde und die Landschaft pflegen, für das Wohl der Tiere sorgen, die Pflanzen nachhaltig und im Einklang mit der gesamten Natur anbauen, das Leben und die Kultur auf einem Hof gestalten – es ist nicht nur eine große Aufgabe, sondern eine Art zu leben. Ich war beeindruckt und berührt, wie diese Landwirt:innen ihre ganze Biografie und Kraft dem zur Verfügung stellen. Und wie froh können wir sein, dass sie es tun. Nicht nur, weil sie uns dadurch mit hochwertigen Lebensmitteln versorgen, sondern weil sie damit einen Beitrag für unsere Erde leisten, auf der wir alle leben. (Christine Pflug)
„Seit 1924 bewirtschaften Demeter-Landwirte ihre Felder biodynamisch. Aufgrund der lebendigen Kreislaufwirtschaft gilt die Demeter-Landwirtschaft als nachhaltigste Form der Landbewirtschaftung und geht weit über die Vorgaben der EU-Öko-Verordnung hinaus. Demeter-Landwirt:innen gehen sorgsam mit dem Land und den Tieren um, die ihnen anvertraut sind. Sie gestalten Landschaft bewusst, lebenswert und nachhaltig. Das Ideal der Biodynamischen Wirtschaftsweise ist die nachhaltigste Art der Landbewirtschaftung, bei der Mensch, Pflanze, Tier und Boden zusammenwirken
In der Bäuerlichen Gesellschaft gibt es derzeit 249 biodynamische Höfe, davon in Schleswig-Holstein 72; auf der ganzen Welt existieren mehr als 7000 Höfe.“ Text und Angaben: Bäuerliche Gesellschaft e.V. – www.demeter-im-norden.de
Einen landwirtschaftlichen Ort prägen und gestalten
Artikel von Knut Ellenberg, Landwirt auf Hof Klostersee
Seit 25 Jahren bin ich Bauer in der Betriebsgemeinschaft Hof Klostersee bei Cismar. Wir bewirtschaften einen trockengelegten See nahe der Ostsee unterhalb von Fehmarn. Meinen Impuls, Landwirt zu werden, nahm ich im Zivildienst auf, 1986 im Jahr des AKW Unfalls in Tschernobyl. Das Leben in Gemeinschaft, die Beschäftigung mit anthroposophischen Texten und die Herstellung von Komposten aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien fühlten sich an wie ein elementarer Beitrag zur Rettung der Welt. Demonstrationen und politische Aktionen, das hatte ich in meiner Jugendzeit in Freiburg gelernt, empfand ich als unzureichend. Neben der Begeisterung für das konkrete Arbeiten mit Boden, Pflanzen und Tieren gab es auch den Aufruf aus dem landwirtschaftlichen Kurs Rudolf Steiners: …“Die Menschheit hat keine andere Wahl, als auf den verschiedensten Gebieten aus dem ganzen Naturzusammenhang, aus dem Weltzusammenhang heraus wieder etwas zu lernen, oder die Natur ebenso wie das Menschenleben absterben, degenerieren zu lassen“… (aus dem 2. Vortrag Ldw. Kurs)
Im Unterschied zu der Auffassung, Naturschutz über das Ausgrenzen des Menschen aus dem Schutzbereich richtig betreiben zu können, ist im Biodynamischen ein neuer Ansatz erkennbar: aus Einsicht in die Naturzusammenhänge, landwirtschaftlich gestaltend, bildend für den größeren Zusammenhang zu handeln.
Landwirtschaft – die Bezüge reichen in den Umraum der Erde
Auch nach 100 Jahren hat der Auftrag, eine Landwirtschaft zu begreifen als einen Organismus, dessen Bezüge bis in den Umraum der Erde reichen, als Motiv für die Höfe und Gärtnereien nicht an Kraft verloren.
So haben wir die Niederung, die wir bewirtschaften, in den vielen Jahren von einer überwiegend Baum-und Strauch-freien Fläche zu einer vielseitigen, mit Obstbäumen und Hecken gesäumten Landschaft gebildet.
Die Felder sind in einer gewissen Kleinteiligkeit gehalten, sodass z.B. Laufkäfer und andere Krabbeltiere sie bis in den Kern besiedeln können. Eine vielfältige Folge von angebauten Getreiden und Futterpflanzen mit Ihrer jeweilig typischen Unkrautbegleitung sorgt für eine gute Trachtgrundlage, um Bienen, Insekten und bodenbrütende Vögel zu ernähren.
Überhaupt sind es eigentlich die Vögel, die am deutlichsten zeigen, dass unser Hof einen landschaftlichen Zusammenhang bildet, der ihren Bedürfnissen entgegenkommt. Wir haben für Grauammer, Neuntöter, Wiesenweihe und Feldlerche ein zuverlässiges Umfeld gegründet. Sie alle haben erst seit unserer Bewirtschaftung ihre Bruttätigkeit hier aufgenommen.
Die Sorge um unsere Tiere hat eine besondere Stellung auf dem Hof. Unsere Kühe werden außerhalb des Winters zweimal täglich auf die Weiden getrieben. Eigentlich sind Milchkühe, zumal mit Hörnern, aus den uns umgebenden Landschaften verschwunden; sie stehen für eine fast aus der Zeit gefallene Ästhetik. Oft können sich Autofahrer, die auf die vorbeiziehende Herde warten müssen, nicht Ihrer Ungeduld erwehren. Das ruhige Zeitmaß der Tiere ist für unsere Gewohnheiten eine Herausforderung. Wenn wir uns dem Auftrieb der Rinder auf die Sommerweiden widmen, sind das für mich fast die schönsten Arbeitstage.
Neben den versorgenden und pflegenden Aufgaben hat unsere Arbeit immer auch einen forschenden Charakter: Wie greifen wir die Beziehung von Mensch und Tier zeitgemäß? Wie ist die Beziehung von den Kälbern zu Ihren Müttern in einem melkenden Betrieb richtig unterstützt? Bauen wir die richtigen Pflanzen an, um auch dem Regenwurm und der Biene die Grundlagen zu erhalten? Können wir über das Auftauchen von Pilzen auf den Flächen erkennen, dass die Verbindung zu den angrenzenden Feuchtgebieten und Wäldern in gesunder Weise harmoniert?
Je tiefer in diese Frage eingestiegen wird, umso deutlicher ist zu erkennen, dass wir, um die Verhältnisse dauerhaft und aufbauend gestalten zu können, weitere, neue Zugänge brauchen. An dieser Stelle bekommen die durch Rudolf Steiner angeregten Heilpflanzenpräparate eine besondere Bedeutung. Rotteprozesse der hofeigenen, tierischen und pflanzlichen Dünger werden atmend, ohne Fäulnis angelegt. Bodenprozesse können durch Ihren Einsatz in ein ausgewogenes Pendeln zwischen Auf-und Abbau geführt werden. Die Gestaltbildung der Speisegetreide erhält entscheidende Ausrichtungen.
die Kultur mit und unter den Menschen als Teil des Organismus
Das sind alles Themen, die, angeregt aus dem landwirtschaftlichen Kurs, den Hof als zusammenhängenden Organismus ansprechen. Die Nähe suchen zu den Naturzusammenhängen, die uns als moderne Menschen fremder werden, ist wie ein zentraler Auftrag an unsere Arbeit.
Für mich ist es eine fortwährende Herausforderung, den hier beschriebenen Aspekten unserer Hofgestaltung jederzeit ein gleichberechtigtes Gewicht gegenüber den großen, stetig steigenden, ökonomischen Herausforderungen zu gewähren.
Es wird unsere biologisch-dynamische Landwirtschaft dann vollständig, wenn wir auch die Kultur mit und unter den Menschen als Teil des Organismus erkennen. Unser Ringen um eine gute Menschengemeinschaft, die gemeinsam den Hof bewirtschaftet, fordert uns in gleichem Maße wie die anspruchsvolle landwirtschaftliche Arbeit selber. Wie mehrere andere biodynamische Höfe, haben wir das Eigentum am Hof in einem gemeinnützigen Träger gegründet. Der Pachtvertrag mit dem Verein Hof Klostersee e.V. kann wie eine Verpflichtung gelesen werden, den Hof für eine Periode in gute, herausbildende Pflege zu nehmen. Gegenüber der Dauer eines Hoforganismus ist die Anwesenheit einer BäuerInnengeneration tatsächlich nur eine kurze Zeitspanne. Die überdauernde, unverwechselbare Persönlichkeit eines landwirtschaftlich geprägten Ortes – auch das ist ein Motiv aus dem landwirtschaftlichen Kurs.
Auf Hof Klostersee haben wir auch ein Altenwohnprojekt. Seit über 20 Jahren wird die arbeitende Betriebsgemeinschaft quasi erweitert durch die Lebensgemeinschaft der Menschen im Altenwohnprojekt. Regelmäßiger Austausch, das Bemühen, für die Belange des Anderen ansprechbar zu sein und Engagement für den Hof, bilden die gemeinsamen Säulen im Zusammenleben.
Auf Hof Klostersee wird der natürliche Ertrag des Hofes in handwerklicher Tätigkeit in der Käserei, der Bäckerei und der Fleischverarbeitung verarbeitet. Unser Hofladen ist nicht nur Einkaufsstätte, sondern Kristallisationspunkt für unsere Hoferzeugnisse, zugewandte Begegnung und genussvolles Erleben (hervorragender Kuchen, Anm. der Redaktion C. Pflug). Der Hofladen und die bunte Außenanlage des Hofcafés sind das Zentrum der Hofanlage.
Wir gestalten, indem wir daran arbeiten, uns selber zu gestalten.
Der Mittelpunkt des Hofes liegt aber in der täglichen Arbeit der Menschen und wie sie sich ausbilden an den vorliegenden Phänomenen eines komplexen Hoforganismus. Wir gestalten, indem wir daran arbeiten, uns selber zu gestalten. Über die Verhältnisse, die wir schaffen, stellen sich die Beziehungen ein. Durch das Hinschauen entsteht Aufmerksamkeit für die geheimnisvollen Wechselwirkungen unter den vielen Gliedern unseres Hoforganismus. Der Hof braucht, dass diese Seite gesehen wird. Nur dann können wir unsere Aufgabe auf Dauer im Sinne des Auftrages gut erfüllen.
Besuch bei Dieter Scharmer auf dem Hof Dannwisch
Artikel von Christine Pflug
Hof Dannwisch bei Elmshorn ist einer der ersten Höfe, die auf biologisch-dynamische Landwirtschaft umgestellt wurden. Heute hat der Hof 200 Hektar Land und wird in einer Betriebsgemeinschaft von 3 Familien geführt. Aber bis dahin war es ein langer Weg, den Dieter und Margret Scharmer vor mehr als 67 Jahren begonnen hatten.
„Da vorne geht es zum Altenteil“, weist mir eine junge Verkäuferin aus dem Hofladen den Weg zu Dieter Scharmer. 93 Jahre ist er. Er kocht mir einen Espresso und beginnt zu erzählen. Er kennt sich aus, mit der Landwirtschaft und dem Hof. Demnächst wird er zur Bäuerlichen Tagung nach Dornach in die Schweiz fahren und dort mit anderen eine Begrüßungsrede halten.
Er ist auf dem jahrhundertealten Hof aufgewachsen, der damals noch konventionell bewirtschaftet wurde. Detailreich und voller Kenntnisse erzählt er von den landwirtschaftlichen Methoden, wie man das früher gemacht hat, wie es heute geht. „Anfangs haben wir noch mit Pferden die Äcker bestellt, in den 50-zigern kamen immer mehr Maschinen, auch der Mähdrescher. Vorher wurde das Getreide mit Maschinen gemäht, die das Getreide in Garben auswarfen, und diese Garben hat man zum Trocknen dann manuell zu Hocken aufgestellt. So war das im Stall auch: die Melker haben mit der Hand gemolken; in den späten 50-ziger Jahren kamen die Melkmaschinen.“
1957 fing Dieter Scharmer an, seinen Hof, der ihm von seinem Vater übergeben worden war, auf die biologisch-dynamische Landwirtschaft umzustellen. Ein Freund hatte ihm von der Biodynamik berichtete; zur gleichen Zeit war sein Bruder in der Obstbaulehre in Colmar und erzählte ebenfalls von der biologisch-dynamischen Arbeit. Gemeinsam mit seinem Freund klapperte er mit seinem Motorrad die wenigen biodynamischen Höfe in Schleswig Holstein ab. „Überzeugend waren für mich die Bauern selber. Sie gingen mit einer ganz anderen inneren Einstellung an ihre Arbeit.“ Dann traf alles zusammen: Er lernte seine Frau Margret, die eine Bauerntochter war, kennen. Sie war von Anfang an begeistert von dieser neuen Weise, Landwirtschaft zu betreiben, und ab dann arbeiteten sie gemeinsam. „Alles ist mit Ihrer Hilfe und ihrem enormen Einsatz geschehen. Das ist sehr bedeutend. Und natürlich auch fruchtbar, wenn Mann und Frau so etwas zusammen machen.“
Diese Umstellung war damals ein gewagter Schritt: „Es war die schwerste Entscheidung, vor der ich in meinem Leben gestanden habe. Wohlwissend, dass ich in meinem Umkreis nicht verstanden werde.“
Was war die zündende Idee, der Impuls? „Es war das Bewusstsein, dass auf dem Hof alles vorhanden ist, was man braucht, man muss eigentlich nichts zukaufen: für eine gute Ernte als Düngung braucht man den Viehbestand; eine geordnete Fruchtfolge der Felder, die jedes Jahr wechselt. Der Mist der Tiere ist ja kein Abfall, sondern höchste Düngungsqualität. Selbst die Hecken können geschnitten werden für die Winterfütterung; Laubheu ist eines der wichtigsten, lebendigen Mineralstoffe, die der Bauer sich selber schaffen kann, wenn er es zu nutzen weiß. Eine ganze riesige Industrie hat sich auf Mineralstofffütterung aufgebaut – aber eben nicht in lebendiger Form, sondern in künstlicher.“
Es war ein einsamer Weg am Anfang. Bäuerliche Nachbarn konnten das nicht nachvollziehen und einige Mitarbeiter verließen den Hof. „Anfangs, als junger Bauer, musste ich unsere Mitarbeiter mit viel Aufwand überzeugen, dass wir jetzt anders düngen, andere Mittel benutzen als in der üblichen Landwirtschaft. Die meisten haben das mitgemacht. Aber andere gingen zu einer besser bezahlten Arbeit in die Stadt. Dieser frei gewordene Arbeitsplatz wurde dann mit Maschinen besetzt.“
So waren die beiden mit ihren kleinen Kindern anfangs auf dem großen Hof fast alleine. Sie standen morgens um 4 Uhr auf, lasen eine halbe Stunde etwas zusammen aus der Anthroposophie und bewerkstelligten die Arbeit auf dem Hof.
Knotenpunkte und Schicksalsschläge
Allmählich besserte sich die Situation, aber nach 7 Jahren kam ein weiterer Knotenpunkt. Die Schweine hatten Maul- und Klauenseuche bekommen, und alle 60 Sauen, auch die Ferkel, mussten abgeschlachtet werden.
In diesen Nullpunkt hinein entschieden Scharmers, ihre Kinder in die Rudolf Steiner Schule zu schicken. Sie hatten kein Geld, die Schule zu bezahlen; es war eine Lehrerin, die dafür gesorgt hatte, dass die Kinder trotzdem aufgenommen wurden.
Langsam wurde der Hof bekannter, die beiden hielten Vorträge über ihre Arbeit, sie nahmen Schulklassen auf den Hof, aus der Schule kamen junge Leute, die Landwirtschaft lernen wollten. Es ging aufwärts, die Erträge steigerten sich.
1978 kam der nächste Schlag. Ein Großbrand vernichtete das alte Bauernhaus mit allem Inventar und Jahrhunderte alten Erinnerungsstücken. Jetzt kam großartige Unterstützung aus der Nachbarschaft, die GLS-Bank und der inzwischen große Umkreis gaben das Geld für einen Neuaufbau.
Einige Jahre später brannte es wieder: In dem eingebrachten Getreide entzündete sich ein Feuer, Scheune und Stallungen wurden zerstört. Und wieder kam aus dem Umfeld große Hilfe, die Nachbarn brachten neues Heu und Stroh, Freunde kamen zum Wiederaufbau. (Dieter Scharmer erzählt, dass es auch im Frühjahr 2023 ein drittes Großfeuer gab.)
Nach diesen Schicksalsschlägen entschlossen sich Scharmers, neue Schritte in die Zukunft zu gehen. Gemeinsam mit Freunden und den inzwischen erwachsenen Kindern wollten sie eine neue Rechtsform für ihren Hof finden. Grund und Boden sollten kein Privateigentum mehr sein, er sollte unverkäuflich und nicht vererbbar sein. Alles wurde einem Verein geschenkt. Damit war auch die Grundlage gegeben, dass in Zukunft weiterhin biologisch-dynamisch gewirtschaftet wird, weil das der Vereins-Satzung entspricht. Als zweite Institution wurde eine Betriebsgemeinschaft gegründet. Damit waren mehrere Menschen für den Betrieb verantwortlich. Alles Wege für eine neue Gestaltung der Landwirtschaft!
Was war die innere Motivation, die über all die Jahre hindurch getragen hat? Dieter Scharmer antwortet mit seiner bescheidenen und ernsthaften Art: „Für mich ist die Landwirtschaft ein Beruf, der mit dem Christentum zu tun hat: Man soll die Erde verwandeln.“
die Verwandlung der Erde
Und wie sieht er die Zukunft der biologisch-dynamischen Landwirtschaft? „Die klein-bäuerliche Landwirtschaft ist vorbei. Es geht jetzt um Zusammenführung und größere Einheiten. Das ist zunächst notwendig, um bessere Maschinen anschaffen zu können. Das hat aber auch eine andere Seite. Beispielsweise sollten die Präparate für die Felder mit der Hand gerührt werden – wir machen das jedenfalls so und wechseln uns ab. Rudolf Steiner wurde gefragt, ob man das Rühren auch maschinell machen könne, denn es dauert eine ganze Stunde. Wenn man es selbst macht und nachher auf die Felder verteilt, hat dieser menschlich-persönliche Anteil eine positive Wirkung. Wenn man eine Stunde rührt, ist es eine Art Bildungskraft, die sich dann auf die Pflanzen auswirkt. Das ist etwas anderes, als wenn man eine Maschine anstellt und weggeht. Wir versuchen damit für das Gemüse das Optimale zu erreichen. Die Qualität lässt sich immer noch verbessern. Das ist es letztlich, worum es geht, nämlich die Verwandlung der Erde zu erreichen und sie durch menschliche Herzenskräfte zu veredeln.“
Zukunftsideen?
Interview mit Anna Breden, in der Ausbildung für Ökolandbau
Anna Breden ist aufgewachsen in der Demeter Hofgemeinschaft „Arpshof“ südlich von Hamburg. Nach dem Abitur Bundesfreiwilligen Dienst in einer anthroposophischen Lebens- und Arbeitsgemeinschaft und anschließend Pädagogik-Studium. „Mit der Vision, das Soziale einmal mit der Landwirtschaft kombinieren zu können.“ Im Anschluss an das Studium noch eine Ausbildung zur Landwirtin. „Zurzeit besuche ich die Fachschule für Ökolandbau in Kleve am Niederrhein und freue mich, nach der Abschlussprüfung wieder in den landwirtschaftlichen Alltag einzutauchen.“
Christine Pflug: Sie sind auf einem biologisch-dynamisch geführten Hof aufgewachsen. Was hat Sie bewogen, diese Arbeit dann als Beruf weiterzuführen?
Anna Breden: Ich habe Landwirtschaft nie als einen reinen Beruf oder Job erlebt, sondern immer auch als eine Art Lebenskonzept, das zumindest zu mir und meiner Vorstellung von Leben und Arbeit sehr gut passt.
Ich mag die Verbindung von einfacher „logischer“ Arbeit, die einfach getan werden muss, und körperlicher Aktivität, Bewegung an der frischen Luft, mit den Tieren, vor allem den Rindern, der Natur, die uns umgibt, und ganz wichtig auch mit den Menschen.
Landwirtschaft ist einfach ein wunderschöner Beruf, mit dem man ganz viel Sinnvolles in die Welt bringen kann. In meiner Arbeit fühle ich mich sehr mit dem Leben und dem, was uns umgibt, verbunden.
C. P.: Ein Hof in diesem Sinne hat auch eine kulturelle und gesellschaftliche Aufgabe. Wie haben Sie das erlebt? Wie wirkt sich das auf den Betrieb aus?
A. Breden: Sowohl der Arpshof als auch mein Lehrbetrieb sind Höfe in stadtnähe, mit einem großen Schwerpunkt auf Direktvermarktung, Kundennähe und Austausch, Transparenz, kulturellen und pädagogischen Angeboten.
Ob das Waldorfschüler*innen sind, die in der 9. Klasse ihr Landbaupraktikum in der Landwirtschaft absolvieren, wöchentliche Hofkindergruppen, Schulklassen, die zum Kartoffeln pflanzen und später im Jahr zum Ernten auf den Hof kommen, oder Kundenkinder, die nach dem Einkauf der Eltern noch einen Abstecher in den Stall zu den Tieren machen- vieles ist möglich!
Ich habe den dadurch entstehenden Austausch immer als sehr bereichernd empfunden. In Arbeit versunken, kann es schon mal vorkommen, dass man seine „Hof-Blase“ länger nicht verlässt, sich zu lange im eigenen Kreis bewegt und ein wenig den Blick von außen verliert.
Da kann es sehr erfrischend sein, wenn Menschen außerhalb des Hofkosmos auf den Betrieb kommen und dir ganz unbefangen eine Frage stellen, die du dir in deiner Betriebsblindheit schon länger nicht mehr gestellt hast.
Da kommen auch ethische, moralische Fragestellungen auf: „Wie halten wir beispielsweise unsere Tiere? Und warum machen wir es so, wie wir es eben machen? Wo und wie schlachten wir unsere Tiere? Wie viel Fleisch konsumieren wir? Wie geschlossen ist unser Betriebskreislauf wirklich?“
Ich finde es sehr wichtig auf diese Weise immer wieder daran erinnert zu werden, das eigene Handeln von Zeit zu Zeit zu hinterfragen. Denn eins steht fest: Wir sind nie fertig, Entwicklung geht immer weiter, und wir können und müssen uns immer strecken, um Schwachstellen und Schieflagen verantwortungsvoll zu ergreifen und in Zukunft noch besser zu machen.
Kulturelle Veranstaltungen bringen außerdem noch eine andere Qualität auf die Höfe. Ich bin überzeugt davon, dass es nicht nur den Menschen, sondern auch dem Ort (und dem, was auf einem Hof noch lebt) sehr guttut, wenn er von Zeit zu Zeit einfach ordentlich mit Freude, Spaß, Musik, Tanz und buntem Treiben erfüllt ist. Diese Leichtigkeit beschwingt dann auch den Arbeitsalltag.
Extremwetterereignisse häufen sich.
C. P.: Worin sehen Sie die aktuellen Herausforderungen in der biodynamischen Landwirtschaft?
A. Breden: Die Landwirtschaft generell, egal ob konventionell, biologisch oder biodynamisch wirtschaftend, sieht sich mit großen Herausforderungen konfrontiert. Extremwetterereignisse wie Dürre, Hitze, Trockenheit, Starkregen und Hagel häufen sich. Da braucht es an so mancher Stelle ein Umdenken und neue innovative Ideen, weil beispielsweise traditionelle, jahrelang angewendete Bearbeitungsmethoden nicht mehr funktionieren. Das ist die Anbau- und Bewirtschaftungs-Perspektive.
Außerdem sehe ich eine große Herausforderung darin, uns als Bio(dynamische) Szene einerseits an unsere ursprünglichen Werte zu erinnern, diese zu bewahren, konsequent umzusetzen, sie nicht zu verwaschen und gleichzeitig auch immer beweglich zu bleiben und neue Leitsätze zu formulieren.
Die innere Haltung und Motivation, gesunde Lebensmittel zu produzieren, mit der Natur zu arbeiten und nicht gegen sie, unsere Böden fruchtbar und gesund zu halten etc., mag dieselbe wie vor 100 Jahren sein. Dennoch dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass wir heute in einer anderen Zeit und Realität leben und müssen folglich auch neue Ansprüche, Visionen und Richtlinien formulieren. Uns allein darüber zu definieren, dass unsere Kühe Hörner tragen und wir Präparate verbuddeln, um es einmal etwas salopp zu formulieren, reicht aus meiner Perspektive in der heutigen Zeit nicht mehr aus.
Wichtig finde ich außerdem, dass diese Wertearbeit auch an einer jungen, nicht nur männlichen, sondern auch trans und weiblichen bäuerlichen Basis erfolgt. Landwirtschaft ist Teil unserer Gesellschaft und kann und sollte sich nicht dem gesellschaftlichen Wandel entziehen.
C. P.: Haben Sie besondere Ideen, wie es in der Zukunft weitergehen könnte?
A. Breden: Wie schon angesprochen: den (angestrebten) geschlossenen Betriebskreislauf. Wenn man etwas tiefer in die Materie einsteigt, so wird man leider feststellen müssen, dass dieser an der einen oder anderen Stelle nicht so geschlossen ist, wie wir meinen oder es uns wünschen. Diese Lücken in unserem bio(dynamischen) System zu schließen für eine wirklich konsequente und folgerichtige Bewirtschaftung, ist für mich ein großer Ansporn.
Aktuell beschäftige ich mich vermehrt mit dem Thema alternativer Schlachtmethoden, speziell der teilmobilen Hofschlachtung. Dabei wird das Tier auf dem Hof geschlachtet. Es wird ihm das stressvolle Trennen aus der Herde und der gewohnten Umgebung sowie der Transport zum Schlachthof erspart. Ich finde, wenn wir Tiere möglichst art- und wesensgemäß halten wollen, darf unsere Verantwortung für das Tier nicht kurz vor dem Tod enden. Auch wenn es im ersten Moment vielleicht unangenehm oder bewegend ist,- wegzugucken, nach dem Motto „aus dem Auge aus dem Sinn“, finde ich keine Option.
Und zum Abschluss: Trotz aller Herausforderungen und teilweise sicherlich auch Überforderungen unserer heutigen Zeit, macht die biodynamische Landwirtschaft mir immer wieder Mut und Freude daran weiterzumachen, weiterzugehen und gibt mir das Gefühl, wirklich sinnvolle Dinge in die Welt zu bringen. Ich fühle mich als Teil eines großen Ganzen und das ist sehr schön!