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„Das Wesentliche ist, dass man lebenstüchtiger wird.“
Hellsehen und geistige Erkenntnis
Interview mit Dr. med. Wolfgang Rißmann, Psychiater
Es gibt immer wieder Menschen, die spontan hellsichtige Wahrnehmungen haben. Geht man einen Weg der geistigen Erkenntnis, so wie ihn Rudolf Steiner beschrieben hat, besteht der aus regelmäßigen Übungen, und eine Hellsichtigkeit kann stufenweise dazu kommen. Dieser Erkenntnisweg geht über die Stufen der normalen Wahrnehmung, dann zur Imagination, Inspiration, Intuition.
Wenn wir im Alltag und im sozialen Miteinander sinnvoll und konstruktiv handeln, benutzen wir eigentlich schon, zumindest in Ansätzen, die Fähigkeiten dieser vier Stufen.
Interviewpartner: Dr. med. Wolfgang Rißmann ist Facharzt für Psychiatrie und war leitender Arzt und Qualitätsmanager an der Friedrich-Husemann-Klinik in Buchenbach bei Freiburg. Er ist in der Ausbildung von Medizinstudenten, Ärzten und Therapeuten tätig. Vielfältige Vortrags- und Seminartätigkeit zu den Themen der allgemeinen Anthroposophie und Prävention psychischer Krankheiten. Besonderer Arbeitsschwerpunkt ist die Entwicklung von anthroposophischen Arzneimitteln bei psychischen Krankheiten. Seit Februar 2014 Privatpraxis für Psychiatrie in Hamburg-Volksdorf.
Christine Pflug: Es gibt immer wieder Menschen, die hellsichtige Wahrnehmungen haben. Auch gerade in Hamburg gibt es Seminare, Vorträge, Sitzungen, die das zum Inhalt haben, z. B. Channeling, Kontakt zu geistigen Meistern, Lesen der Aura etc. Auch im Internet findet man Anleitungen, wie man so etwas macht. Welche Phänomene sind das?
Dr. Wolfgang Rißmann: Es ist auch meine Beobachtung, dass in den letzten zehn bis zwanzig Jahren immer häufiger Menschen von solchen Erlebnissen berichten. Es sind Menschen, die mit dem Leben zurechtkommen und äußerlich unauffällig sind. Ältere Menschen, deren Angehörige verstorben sind, erzählen manchmal, dass sie die Verstorbenen spüren, ihre Anwesenheit empfinden. Andere berichten von Lichterscheinungen oder von Stimmen, die ihnen sagen, was sie tun sollen.
Solche Erlebnisse treten bei den meisten spontan oder in seelischen Krisen und Schocksituationen auf, bei manchen nach Intensivseminaren, in denen die Anwesenden auf übersinnliche Erfahrungen vorbereitet werden. Diese Erlebnisse sind für einige belastend, für andere eher wieder befreiend oder sogar euphorisierend. Letztlich kann man aber beobachten, dass die Betreffenden nicht richtig wissen, wie sie damit umgehen sollen, ob das gefährlich ist oder nicht und welche sozialen Auswirkungen das haben könnte.
C. P.: Ich habe auch schon Menschen erlebt, bei denen solche Erlebnisse dann wie willkürlich auftreten, und sie wissen nicht, wie sie das steuern, bzw. beenden können. Sind das Ausnahmen?
W. Rißmann: Nein, das ist ziemlich häufig der Fall. Manche meinen, es steuern zu können, aber letztlich können sie es doch nicht ausreichend. Dann wird es auch belastend. Dieser Weg geht über die voll bewusste Präsenz, Konzentration, Aufmerksamkeit und über das Denken.
C. P.: Was sagte Rudolf Steiner zu diesem Thema „Hellsehen“?
W. Rißmann: Er arbeitete immer wieder sehr deutlich den Unterschied zwischen Hellsehen und geistiger Erkenntnis heraus. Er äußerte sich nie abwertend über hellseherische Phänomene, sondern betonte, dass sie in der Zukunft immer mehr auftreten werden. Aber er sagte auch, dass man mit diesen Dingen nur zurechtkomme, wenn man zusätzlich einen anderen Weg geht, nämlich den der geistigen Erkenntnis. Dieser Weg erfordert viel Übung, Geduld, Demut, Konzentration und Aufmerksamkeit. Er ist nicht neu, sondern wurde schon seit Jahrtausenden in spirituellen Kreisen praktiziert, z. B. bei den Mystikern. Steiner hat ihn für unsere Zeit neu beschrieben. Er legte viel Wert darauf, dass dieser Weg immer über die voll bewusste Präsenz, Konzentration und Aufmerksamkeit geht und über das Denken, also nicht primär über Gefühle oder faszinierende Erlebnisse.
C. P.: Wenn man hellseherische Fähigkeiten hat oder auch übersinnliche Erkenntnisse sucht, braucht es begleitende Übungen. Welche sind das?
W. Rißmann: Steiner betonte immer wieder, dass man stabilisierende Übungen benötige, wenn man einen geistigen Weg gehen möchte. Das sind einfache Übungen, z. B. die Kontrolle des eigenen Denkens. Man übt täglich, sich fünf bis zehn Minuten auf eine Sache zu konzentrieren und nichts anderes zu denken. Die Kontrolle des eigenen Willens: Man vollzieht zu einer selbst gewählten Uhrzeit des Tages eine bestimmte Handlung. Damit werden das Denken und der Wille kontrolliert und versachlicht. Eine dritte Übung besteht darin, dass man sich von seinen Gefühlen nicht wegreißen lässt, sondern lernt, extreme Gefühle zu ertragen; das kann man Gleichmut nennen.
Das alles sind keine neuen Übungen; sie wurden seit alters immer empfohlen, weil der geistige Erkenntnisweg Gefahren in sich birgt und man in Grenzbereiche von Phantastik und Illusion geraten kann. Im Grunde sind diese Begleitübungen genauso wichtig wie die eigentlichen Meditationen.
C. P.: Wenn man in diese Bereiche von Phantastik und Illusion gerät – wie kann das dem Menschen schaden?
W. Rißmann: … es kann ihn vor allem vom Leben entfremden. Und das Wesentliche ist, dass man durch so eine geistige Schulung lebenstüchtiger wird.
Die Wahrnehmung der äußeren Welt ist immer die Grundlage jeglicher Erkenntnis.
C. P.: Bevor wir den geistigen Weg beschreiben – wie sieht der alltägliche oder wissenschaftliche Erkenntnisvorgang aus?
W. Rißmann: Die normale Erkenntnis besteht darin, dass ich die Welt mit meinen Augen, Ohren, mit der Nase, also mit meinen Sinnen wahrnehme. Die Wahrnehmung der äußeren Welt ist immer die Grundlage jeglicher Erkenntnis. Ich sehe die Bäume, höre den Gesang der Vögel, ich taste, rieche, schmecke usw. Die Sinneswahrnehmung ist die erste Stufe der Erkenntnis und daran knüpfen sich Gedanken. Dann versuche ich zu verstehen, was ich erlebe und bilde mir Begriffe dazu und kann mich dadurch im Leben orientieren, die Welt verstehen und sinnvoll handeln. Das kann man in der naturwissenschaftlichen Erkenntnis steigern, es ist aber prinzipiell nichts anderes, nur durch Instrumente, Experimente und geschärfte Methodik verfeinert. Es geht immer um die beiden Säulen der Erkenntnis: Wahrnehmung der äußeren Welt und gedankliche Aufarbeitung durch Bildung von Begriffen.
C. P.: Rudolf Steiner beschrieb bei dieser sinnlichen Erkenntnis vier Elemente: 1. der Gegenstand, welcher auf die Sinne einen Eindruck mach; 2. das Bild, das sich der Mensch von diesem Gegenstand macht; 3. der Begriff, durch den der Mensch zu einer geistigen Erfassung einer Sache oder eines Vorgangs kommt; 4. das Ich, welches sich auf Grund des Eindruckes vom Gegenstande Bild und Begriff bildet. (Aus: Rudolf Steiner: Die Stufen der höheren Erkenntnis, GA 12). Können Sie das an einem ganz alltäglichen Beispiel anschaulich machen, z. B. im Haushalt?
W. Rißmann: Wenn ich auf einem Acker bin, sehe ich mit meinen Augen eine Kartoffel als Gegenstand. Wenn ich die Augen schließe oder mich am nächsten Tag erinnere, dann kommt mir ein Bild von der Kartoffel; und aufgrund vieler Erinnerungsbilder schaffe ich mir dann den Begriff Kartoffel. Ich weiß: Es gibt die Kartoffel, und das ist nicht Mais, Weizen oder sonst etwas. Mit diesem Begriff Kartoffel fasse ich alles zusammen, was ich an der Kartoffel wahrgenommen habe: die Form, die Farbe, den Geschmack, die Eigenschaften usw. Und mit diesem Begriff arbeite ich dann, d. h. ich kann diesen Gegenstand Kartoffel zur Nahrung benutzen.
Das vierte Element ist das Ich: Ich muss es selber tun, es hängt von mir ab, es geschieht nicht automatisch.
C. P.: Wenn man jetzt diesen Vorgang hat, so wie ihn Rudolf Steiner beschreibt, und man die nächste Stufe zu einer übersinnlichen Erkenntnis gehen möchte – wie nennt man diese Stufe und was passiert da?
W. Rißmann: Den ersten Schritt in eine übersinnliche Erkenntnis nannte Rudolf Steiner „imaginative Erkenntnis“; imago heißt das Bild – es geht also um innere Bilder. Dieser Begriff wird heute in der Psychotherapie auch verwendet – da spricht man von Imaginationsübungen. Man macht sich innere Bilder, das heißt, man schaut keinen äußeren Gegenstand an. Das sind zunächst ganz einfache Erinnerungsbilder, die man in sich bewegen und verstärken kann. Es ist das aber noch keine eigentliche Imagination, sondern die Vorstufe. Wenn man sich z. B. einen Löwenzahn anschaut, dann kann man zunächst diesen Löwenzahn als Gegenstand beobachten mit seiner Wurzel, der tiefgrünen Blattrosette, dem langen Blühstängel und dann diesem intensiv gelben Blütenstand. Wenn ich diesen „Gegenstand“ angeschaut habe, kann ich danach versuchen, mir in meinen Gedanken die Wachstumsgebärde dieses Löwenzahns vorzustellen: die senkrecht nach unten wachsende Wurzel, den nach oben schießenden Stängel und die sich ausbreitende Blattrosette.
Ich versuche in eine innere Dynamik einzusteigen.
C. P.: Müsste man sich dann dieses Bild innerlich aufbauen?
W. Rißmann: Ja. Und dann, ohne dass ich den Löwenzahn äußerlich anschaue, versuche ich, sein Wachstum innerlich nachzuvollziehen, ich versuche, diese Wachstumsgebärde in mir nachzuschaffen. Das ist ähnlich, wie wenn ein Plastiker eine Plastik schafft oder der Maler ein ausdrucksstarkes Bild malt: Er versucht, die bildschaffende Kraft in sich zu intensivieren. Ich gehe also weg vom äußeren Gegenstand und versuche in eine innere Dynamik einzusteigen. Das bedeutet: Es sind keine Abbilder, sondern bewegte Bilder, d. h. man taucht in eine Bewegung, in eine Gebärde ein.
C. P.: Wenn man das als Mediation ausführt, benutzt man dazu dann bestimmte Bilder?
W. Rißmann: Am besten ja. Man kann das an Pflanzen üben oder an Kunstwerken – da ist es am einfachsten. Entscheidend ist, dass man sich von dem äußeren Gegenstand löst und diese Übung innerlich vollzieht. Das geht in die Richtung einer Imagination. Wenn die Imagination wirklich eintritt, dann handelt es sich, so Rudolf Steiner, um lebendige, in sich bewegliche Bilder, die quasi freischwebend im Bewusstsein anwesend sind; diese verschwinden aber wieder, sobald ich meine Konzentrationskraft loslasse.
Die Bilder sagen mir etwas Tieferes über den Gegenstand aus, nämlich welche Kräfte in ihm wirksam sind, z. B. die Wachstumskräfte in einer Pflanze. Diese erlebe ich dann unmittelbar.
C. P.: Diese inneren Bilder stellt man selbst her?
W. Rißmann: Genau, und man lässt sie auch wieder verschwinden. Also genau umgekehrt wie bei einer Vision: die drängt sich auf und kommt, ohne dass ich sie gebeten habe.
Dieser Zustand ist lautlose Stille, also eine Art von innerer Erwartungshaltung.
C. P.: Was passiert dann auf der nächsten Stufe?
W. Rißmann: Steiner nannte das die inspirierte Erkenntnis. Es geht darum, die Aufmerksamkeit weiter zu steigern, aber alles, was vorher als Bild, Kraft, Dynamik da war, zur Seite zu schieben. Das bedeutet, den Zustand des leeren Bewusstseins zu erzeugen. Das ist fast paradox, denn Bewusstsein hat normalerweise einen Inhalt, z. B. eine Vorstellung oder ein Gefühl. Aber alles das wird weggestellt, und es braucht dann eine gewisse Kraft der Aufmerksamkeit, sonst schläft man ein. Dieser Zustand ist lautlose Stille, also eine Art von innerer Erwartungshaltung, die aber in höchster innerer Aktivität erzeugt wird. Das hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den Achtsamkeitsübungen des Zen-Buddhismus; dort wird ähnlich geübt, das Bewusstsein zu befreien von allen Vorstellungen und von allem, was man will und möchte. Diesen Zustand schilderte Steiner als Inspiration. Aber dabei bleibt es nicht; wenn man das eine gewisse Zeit schafft, hat man den Eindruck, dass etwas wie zu sprechen beginnt oder einem etwas wesenhaft entgegenkommt. Man könnte es als das „Wesentliche“ oder „Eigentliche“ dessen beschreiben, mit dem man sich beschäftigt hat.
Wenn ich noch mal auf das Beispiel des Löwenzahns zurückkomme: In der ersten Stufe schaue ich mir ihn an in seiner äußeren Form und Farbe. In der zweiten Stufe versuche ich mit meiner inneren Denkkraft in die Wachstumsgebärde einzusteigen, in der dritten Stufe schiebe ich das alles beiseite, und dann, wenn ich diesen Zustand der Leere oder auch Stille halten kann, tritt wie etwas ein, was der Löwenzahn als Wesen ausspricht, sozusagen sein Schöpfungsprinzip.
stumme Sprache
Steiner sprach auch von der stummen Sprache. Man könnte sagen: Man versteht die Bedeutung dieser Pflanze. Der inspirative Zustand ist ein geistiges Verstehen.
C. P.: Dieses Erlebnis kann man da aber noch nicht in Worte fassen?!
W. Rißmann: Das wäre noch ein weiterer Schritt; es in Worte zu fassen, ist nicht so einfach. Bei der Intuition identifiziert man sich ganz mit dem anderen Wesen.
C. P.: Und dann kommt als nächster Schritt die intuitive Erkenntnis. Was passiert da?
W. Rißmann: Da wird die Aufmerksamkeit noch weiter verdichtet, indem man sich jetzt ganz mit dem Gegenstand oder dem Wesen verbindet. Am Beispiel der Pflanze wäre das: Man versetzt sich in den Löwenzahn und erlebt, was der Löwenzahn seinem innersten Wesen nach tut.
Es ist leichter zu erklären bei der Therapie: Der Arzt oder Therapeut muss, wenn er wirklich therapeutisch tätig sein will, sich so in den Patienten hineinversetzen, dass er sich mit ihm identifiziert – aber ohne sich selbst dabei zu verlieren; und das ist das Anstrengende. Wenn ich nur von mir ausgehe, erfasse ich nicht die Absicht des Patienten. Ich muss einerseits schaffen, voll bewusst bei mir zu sein und gleichzeitig mich in die tiefer liegende Intention des Patienten hineinbegeben. Bei der Intuition identifiziert man sich ganz mit dem anderen Wesen, bleibt aber gleichzeitig bewusst in seiner Eigenständigkeit.
C. P.: Das sollte man eigentlich auch bei seinen eigenen Kindern, dem Lebenspartner oder anderen Sozialpartnern machen?!
W. Rißmann: Wenn ich Kinder erziehe, geht es nicht darum, dass ich meine Ideen und guten Absichten an die Kinder heranbringe und sie wie von außen forme, sondern dass ich herausfinde, was deren ureigenste Begabung ist und wie ich ihr zur Entwicklung verhelfen kann. Als guter Pädagoge handle ich ganz aus dem heraus, was die Individualität des Kindes braucht.
Bei der Landwirtschaft ist es ähnlich. Man kann diese natürlich wie ein technologisch industrielles System betreiben, aber es geht eigentlich darum: Was braucht die Erde, was brauchen die Pflanzen, damit gesunde Nahrungsmittel wachsen?
Im sozialen Leben wird diese Qualität am stärksten benötigt. Aber da ist es am schwierigsten. Steiner sagte mal, dass man im Sozialen nichts planen und vorhersagen könne, sondern es hänge alles davon ab, dass wir die Intentionen der anderen Menschen verstehen. Und aus dem heraus ist erst soziale Gestaltung und Gemeinschaftsbildung möglich. Da ist es am allerstärksten gefordert – ohne Intuition ist soziale Gestaltung nicht möglich.
Bei der Intuition geht es um den Willen.
C. P. Damit wären wir an dem Punkt, wo man diese Qualitäten im Alltag braucht und auch anwendet, wenn auch nicht in dem wie beschrieben streng übenden Sinne. „Hinspüren“, was will mein Kind, was braucht mein Betrieb, meine Einrichtung, was wäre der nächste Schritt für unsere Gemeinschaft etc. … „Hinspüren“ – geht das in Richtung von Intuition?
Es gehört ein gewisser Mut dazu, in diese offene Lage hineinzugehen.
W. Rißmann: Das geht mehr in Richtung Inspiration. Man kann so sagen: die Imagination geht aus von dem verstärkten Denken, man muss sich lebendige Gedanken bilden. Die Inspiration hat mehr zu tun mit dem Gefühl, „hinspüren, nachklingen lassen, Resonanz empfinden, fühlen, ob es stimmig ist oder nicht“ – das sind alles musikalische Elemente. Bei der Intuition geht es um den Willen, d. h. der eigene Wille wird selbstlos und taucht in den Willen des Gegenübers ein. Das ist mehr als spüren, man versucht den Willen objektiv, „aus der Sache heraus“ wirksam werden zu lassen. Das setzt natürlich voraus, dass ich Imagination und Inspiration vorher geübt habe, sonst kann ich mich in das Gegenüber auch nicht hineinversetzen. Ich begebe mich voll in den anderen hinein, ohne zu wissen, wie die Situation ausgeht. Insofern ist Intuition immer mit einem Risiko behaftet; es gehört ein gewisser Mut dazu, in diese offene Lage hineinzugehen.
C. P.: Und man braucht auch das Vertrauen, dass einem aus dieser offenen, fragenden Situation etwas zuwächst, was der nächste Schritt sein kann.
Wenn wir das jetzt auf alltägliche Situation heruntergebrochen haben – sind das nur Anklänge von diesen drei Stufen?
W. Rißmann: Es sind Anklänge, und wenn ich die drei Stufen in der Meditation übe, sind das Vorübungen. Das Ganze hat das Ziel, dass ich im alltäglichen Leben tüchtiger werde. Wenn ich mir an diesen meditativen Übungen Fähigkeiten gebildet habe, kann ich sie im Alltag auch umsetzen. Die ersten Versuche erscheinen vielleicht nicht großartig, aber sie sind die Folge dessen, was ich geübt habe.
C. P.: Es ist klar geworden, dass man das ein stückweit auch schon kann, aber es immer noch üben kann und sollte. Das Hellsehen ist dann etwas anderes.
W. Rißmann: Man hat ein Übungsinstrumentarium, die Hellsichtigkeit kann stufenweise dann dazu kommen, aber man kann sie nicht erzwingen. Der konkrete Übungsweg ist das Lebenspraktische an der Sache.