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Die Favela Monte Azul
gemeinschaftlich für ein besseres Leben
Interview mit Dennis Pauschinger, ehemaliger Waldorfschüler
Was macht ein junger Mensch nach dem Abitur? Vor allem, wenn er mit viel Idealismus anderen Menschen helfen will … . Dennis Pauschinger ging in das Armenviertel Monte Azul, am Rande von São Paulo in Brasilien. Dort leistet die Associação Comunitária Monte Azul, gegründet von Ute Craemer, schon seit über 25 Jahren Sozialarbeit. Der ehemalige Hamburger Waldorfschüler hatte zunächst etliche Bewährungsproben inmitten der sozialen Probleme der Favelas zu bestehen. Begeistert berichtet er von der lebendigen und immer wieder neu sich erschaffenden „sozialen Plastik“ Monte Azul, wo Menschen trotz schwieriger Bedingungen mit Heiterkeit und Lebensfreude an ihrem Projekt arbeiten.
Interviewpartner: Dennis Pauschinger, 25 Jahre alt, er war Schüler der Rudolf Steiner Schule Altona von der ersten Klasse bis zum Abitur. Direkt nach dem Abitur in 2002 machte er seinen Zivildienst in Monte Azul. Danach war er 10 Monate zum Soziologiestudium in Deutschland. Dann ging er noch einmal für zwei Jahre nach Monte Azul zurück, um dort zu arbeiten. Währenddessen studierte er in São Paulo Sozialwissenschaften. „In Brasilien studiert man generell abends, weil tagsüber viele arbeiten. Das hört sich erst mal hart an, ist aber sinnvoll, weil man während des Studiums schon mal begleitend das machen kann, was einen später den Einstieg ins Berufsleben erleichtert.“
Christine Pflug: Was ist die Associação Comunitária Monte Azul und was wird dort gemacht?
Dennis Pauschinger: Es ist eine soziale Organisation in der Südzone von São Paulo, die in drei verschiedenen Favelas (Armenviertel in Randlagen der großen Städte Brasiliens, Anm. d. Red.) arbeitet: in der Favela Monte Azul, in der Favela Peinha und in dem peripheren Viertel Horizonte Azul. Die Favela Monte Azul hat etwa 3.000 Einwohner, die Favela Peinha, etwa ein Kilometer von Monte Azul entfernt, 3.500 Einwohner, und im Gebiet tief in der Peripherie leben etwa 15.000 Einwohner.
irgendwann klopften Kinder aus der Favela an ihr Haus
Die Arbeit des Vereins begann 1979. Die aus Hamburg stammende Lehrerin Ute Craemer arbeitete in der Waldorfschule in São Paulo. Sie lebte damals in dem Viertel Monte Azul. Irgendwann klopften Kinder aus der Favela an ihr Haus, fragten nach Essen und ob sie im Garten spielen dürften. Man muss zum Verständnis wissen, dass die Waldorfschule in São Paulo eine Privatschule ist, die von dem Schulgeld der Eltern finanziert wird, insofern sind die Kinder von relativ reichen Eltern.
Ute Craemer hat diese Kinder aus der Favela in ihr Haus gelassen, sie durften dort spielen, und sie bot ihnen die gleichen Aktivitäten an wie den Kindern aus der Waldorfschule. Sie wollte eine Brücke bauen zwischen den Kindern aus der Privatschule und denen aus der Favela. Beispielsweise nahm sie ihre Schulklasse mit nach Hause und hat sie dort zusammen mit den Favela-Kindern unterrichtet, sie haben gemeinsam gekocht, zusammen gegessen usw. Es gab Menschen, die ihr geholfen haben; für andere, vor allem aus der Waldorfschule, war das aber auch ein Skandal. Es gibt in Brasilien zwei Parallelwelten, nämlich die der Armen und die der Reichen.
Ziemlich schnell hatte sich um Ute Craemer eine kleine Gruppe gebildet mit Menschen aus der Favela und aus der Waldorfschule. Sie überlegten, was sie am schnellsten und besten für die Favela tun könnten. Und so entstand 1979 die Associação Comunitária Monte Azul. Mit einer ersten Spende aus Deutschland wurden eine kleine Krankenstation, ein Kindergarten und eine Ausbildungswerkstatt eingerichtet.
Heute arbeitet die Associação in den besagten drei Vierteln, vor allem in den Bereichen Erziehung, Kultur, Gesundheit, soziale Entwicklung und Umwelt. In der Pädagogik ist es so, dass die Kinder von der Babykrippe, über den Kindergarten, Vor- und Nachmittagsschule und Ausbildungsstätten für Jugendliche alle pädagogischen Stationen durchlaufen können.
In jedem der drei Viertel gibt es ein Gesundheitszentrum, wo insgesamt pro Monat 4.000 Patienten betreut werden. Seit dem Jahr 2000 hat Monte Azul einen Vertrag mit der Stadtverwaltung und kümmert sich um 11 Gesundheitsposten, also um die Gesundheit von 300.000 Menschen. Es gibt Kulturzentren, wo Musikfestivals stattfinden und wo die freiwilligen Helfer Musik- oder Sprachunterricht geben.
60% der Mitarbeiter sind aus den Favelas
Soziale Entwicklung bedeutet Urbanisation der Favelas, d. h. Kanalisierung von Abwassern, Flüssen, Treppenbau. Wichtig ist, dass die Entwicklungshilfe nicht „von oben“ gemacht wird; Kinder, die damals an die Tür von Ute Craemer geklopft haben, arbeiten heute als Erwachsene in den Führungsgremien von Monte Azul mit. 60% der Mitarbeiter sind aus den Favelas selbst.
Basis ist die Waldorfpädagogik, und die Anthroposophie in der Medizin und in der Betrachtung des Menschen.
Die Hauptprobleme sind: keine sanitären Anlagen, keine Schulen, keine Infrastruktur, große Armut, viel Gewalt
C. P.: Können Sie kurz skizzieren, wie es in den Favelas aussieht, die keine solche Sozialarbeit haben?
D. Pauschinger: Favelas sind durch Landflucht entstanden, vor allem aus dem Nordosten von Brasilien. Die Menschen fanden in den Großstädten keinen Platz und haben erst mal ihre Hütten aufgestellt, also eine illegale Hütte auf illegalem Boden, d. h. der gehörte ihnen nicht. Die Hauptprobleme sind: keine sanitären Anlagen, keine Schulen, keine Infrastruktur, große Armut, viel Gewalt. Das bedeutet nicht, dass dort nur Verbrecher leben, wie es in den Medien immer dargestellt wird, aber es herrschen enorme soziale Probleme.
C. P.: Und wahrscheinlich gibt es viele Kinder ohne Väter?
D. Pauschinger: Bei den Männern ist der Alkoholismus ein Problem, einige werden auch erschossen, weil sie sich in Streits oder mit Drogen involvieren.
Die Geburtenrate bei jungen Mädchen ist sehr hoch und viele Kinder wachsen ohne Vater auf. Auch in Monte Azul gibt es im pädagogischen Bereich leider fast nur Frauen, und man würde gerne auch Erzieher einstellen, die den Vater ersetzen könnten. In Brasilien ist aber die Rollenaufteilung so, dass Erziehung keine Männersache ist.
C. P.: Was hat Sie nach dem Abi bewogen nach Brasilien zu gehen?
D. Pauschinger: Ich wollte meinen Zivildienst schon immer im Ausland machen. Und ich hatte den Wunsch – auch heute noch -, helfen zu wollen, in welcher Form auch immer. Natürlich bin ich heute weniger idealistisch als damals, aber es war immer mein Grundgefühl. Auch wollte ich noch eine andere Sprache lernen. Ich hatte mich in vielen anderen Ländern in Südamerika beworben, erhielt aber nur eine Antwort aus Brasilien. Zum Glück!
C. P.: Was haben Sie als Zivi dort gemacht?
D. Pauschinger: Als Zivi lebt man direkt neben der Favela. Ich war in einer Großküche eingeteilt, habe später in einer Kindergruppe gearbeitet, auch in einer Gruppe von behinderten Jugendlichen. Später war ich im Büro tätig.
C. P.: Wie war es, aus den gut situierten Hamburger Verhältnissen in ein brasilianisches Armutsviertel zu kommen?
D. Pauschinger: Es war spannend und am Anfang auch beängstigend. Zuerst war ich völlig erschlagen von den Eindrücken dieser 20 Millionen-Stadt. Das dauerte dann ein paar Monate an.
Am Anfang erlebte ich, dass auf einer Straße, wo wir als Zivis immer lang mussten, nachts um 11 Uhr jemand erschossen wurde. Es gab eine riesige Blutlache, und der Fleck blieb noch lange, auch die Schuhe lagen noch lange rum. Das hat auf uns Zivis, in Monte Azul waren wir zu zwölft, einen heftigen Eindruck gemacht und hat uns auch beängstigt. Wir überlegten, ob wir nicht abreisen sollten und ob es sich lohnt, sein Leben derart aufs Spiel zu setzen. Ich habe diese Frage für mich so gelöst: die 20 Millionen Menschen, die in dieser Stadt leben, können auch nicht einfach „nach Hause“ und müssen mit dieser Situation irgendwie umgehen. Das hat mich bewogen, dort zu bleiben und auch mit den Eindrücken anders umzugehen.
man kann nicht jedes Mal weinen, wenn man am Elendsviertel vorbeikommt
Auch kann man nicht jedes Mal weinen, wenn man am Elendsviertel vorbeikommt. Monte Azul ist schon eine „bessere“ Favela, es gibt aber auch solche, wo noch alles aus Holz und Pappe ist. Diese Viertel geraten oft in Brand. Ich bin an solch einem abgebrannten Viertel vorbeigekommen. Das ist schon hart! Aber man kann bei solchen Erlebnissen nicht jedes Mal zusammenbrechen, sonst kann man nicht leben und nicht arbeiten.
es herrscht eine positivere Grundstimmung in Brasilien als hier
Es gab auch sehr positive Erfahrungen. Wir sind sehr gut und herzlich aufgenommen worden, mit unglaublicher Fröhlichkeit und Offenheit, nicht nur in der Favela Monte Azul, sondern im ganzen Viertel. Die Menschen, denen es offensichtlich schlechter geht als vielen in Deutschland, sind unwahrscheinlich gut gelaunt. Wenn man sonntags auf die Straße geht, waren immer alle draußen; viele machen spontan Musik oder es kommt Musik aus den Häusern. Natürlich hat das auch mit klimatischen Bedingungen zu tun, aber es herrscht nach meiner Auffassung eine positivere Grundstimmung in Brasilien als hier. Das ist einer der Hauptunterschiede, den wir Deutschen sehr schnell bemerkt hatten.
Das hat mich sehr positiv beeindruckt, und es hat mir am Anfang sehr geholfen, dass die Menschen sehr nett und hilfsbereit waren. Man hat das Gefühl, dass die Armut, die in Brasilien äußerlich herrscht, sich in Deutschland im Inneren der Menschen findet.
C. P.: Wie gehen die Menschen damit um, dass es Gewalt gibt und dass man täglich umgebracht werden könnte?
D. Pauschinger: Da muss man unterscheiden zwischen den gut situierten und den armen Menschen in São Paulo.
Bei den Ärmeren ist Gewalt Alltag und gehört zur Normalität. 2006 gab es große Probleme in Monte Azul, weil einer der Mitarbeiter am helllichten Tage erschossen wurde; er war mit jemand zerstritten. Das hat eine ganze Reihe von Vorfällen ausgelöst. In der gleichen Woche war ich in dem Haus meiner Freundin, die damals auch in der Favela lebte, wir hörten Schüsse, und es war ganz normal, dass, nachdem alles ruhig schien, alle hinströmten. Alle kamen und schauten, was los ist. Sie haben eine Art Distanzlosigkeit zur Gewalt, weil sie eben so alltäglich ist.
Die Reichen in São Paulo leben mit sehr viel Angst
Die Reichen in São Paulo leben mit sehr viel Angst. Sie schotten sich ab, bauen hohe Mauern um ihre Grundstücke, vermeiden öffentliche Verkehrsmittel. Ich bin drei Jahre in öffentlichen Verkehrsmitteln gefahren und mir ist nie irgendetwas passiert. Top-Manager fliegen nur noch mit dem Hubschrauber von einem Ort zum anderen oder fahren mit gepanzerten Autos. Vieles ist übertrieben. Das ganze Leben wird von der Angst bestimmt und hat schon absurde Formen angenommen, beispielsweise wird mit der Schönheit der Gitter vor dem Fenster gewetteifert.
Die Statistiken sprechen für sich: die meisten Ermordeten sind zwischen 15 und 24 Jahren, meist afro-brasilianischer Herkunft und hatten vorher keinen Eintrag ins Führungszeugnis und werden von Schusswaffen getötet. Das heißt also, es werden junge Menschen erschossen, die vorher noch nie bekanntlich etwas verbrochen haben. Woher dann der Verdacht auf eine Straftat? Das ist es, was die Statistiken so unglaublich machen: Es werden nicht die gejagt und verfolgt, die schon bekannt sind, sondern die meisten Opfer sind jung, schwarz und polizeiunbekannt.
Es wird sich dort auch wegen Nichtigkeiten gestritten: „Der hat meine Freundin blöd angemacht“, und dann wird die Waffe gezogen. Die Gewalt reproduziert sich in den Armutsvierteln, auch was Überfälle betrifft.
C. P.: Es herrscht dort das, was bei uns jetzt in den Medien auch für unsere Verhältnisse diskutiert, bzw. vorausgesehen wird: eine Schere zwischen Arm und Reich. Sehen Sie das als eine Ursache für die Gewalt?
D. Pauschinger: Brasilien ist eines der Länder, wo der Unterschied zwischen denen, die am meisten verdienen und denen, die am wenigsten verdienen, mit am größten ist. Das ist natürlich einer der Gründe für die Gewalt, wobei es mehrere gibt.
beispielsweise verstärken die Polizei und der Staat die Gewalt
Beispielsweise verstärken die Polizei und der Staat die Gewalt, weil gegen Verbrecher mit total repressiven Maßnahmen reagiert wird. Es wird nicht versucht, die Situation zu entschärfen, sondern man verschärft sie noch, beispielsweise wird von der Polizei sofort geschossen, wenn ein Verdacht besteht.
Zum Beispiel gab es im Mai 2006 von dem PCC (Primeiro Comando da Capital = Erstes Hauptstadt Kommando), eine kriminelle Vereinigung in São Paulo, Angriffe auf die ganze Stadt, vor allem aber auf Polizeistationen und öffentliche Verkehrsmittel und gleichzeitig Rebellionen in den Gefängnissen. Es wurde durch die Medien aufgebauscht, dass es noch weitere Attacken geben sollte, und es brach Panik in der Stadt aus. In der Woche danach hat die Polizei 150 bis 250 Menschen umgebracht, die größtenteils mit den Attacken gar nichts zu tun hatten. Es war eine Art Racheaktion der Militärpolizei. Ich wurde in diesen Tagen auch kontrolliert von der Militärpolizei und mit vorgehaltener Waffe an die Wand gestellt. Wegen der Kälte hatte ich eine Mütze auf, und sie hatten nicht gemerkt, dass ich Ausländer bin. Sie hatten mich abgetastet und als sie merkten, dass ich keine Waffen hatte und dass ich in der Associação arbeite, hat sich die Situation entschärft. Aber es war schon ein blödes Gefühl. Ich hatte kurz mit meinem Leben abgeschlossen, weil in dieser Zeit viele aus nichtigen Gründen erschossen worden sind. Eine zuckende Bewegung zu viel, und ich hätte eine Kugel abbekommen.
die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen
Solche repressiven Maßnahmen sind auch Gründe für die Gewalt. Eine andere Ursache ist die Perspektivlosigkeit der Jugendlichen: schlechte Schulen, schlechte Bildungschancen, keine Arbeit. Und auf der anderen Seite steht der Reiz, durch Drogenverkauf schnell zu Geld zu kommen. Außerdem konsumieren sie auch selber Drogen, was die Hemmschwelle zur Gewalt heruntersetzt.
Es ist aber nicht so, dass die Gewalt so dominant ist. Ich war drei Jahre dort, und mir ist nichts Ernstes passiert, ich bin auch nie überfallen worden. Man sollte sich an gewisse Spielregeln halten, sich in keine dubiosen Dinge einmischen und gewisse Straßen und Viertel zu bestimmten Uhrzeiten meiden.
Das Nachbarviertel von Monte Azul wurde im Jahr 2000 von der UNO zum gewalttätigsten Viertel der Welt erklärt. Das hat sich aber durch die stetige Arbeit von Monte Azul und den NGO’s vor Ort verbessert. Und es hat sich dort sogar eine regelrechte Kunstbewegung gebildet: Musikgruppen, Autoren schreiben über die Peripherie u.s.w.
C. P.: Was hat Sie, nachdem Sie nach einem Jahr Zivildienst wieder nach Deutschland kamen, bewogen, dann wieder nach Brasilien zurückzugehen?
D. Pauschinger: Während meines Zivildienstes hatte ich mich um die Korrespondenz und um die Organisation der freiwilligen Helfer gekümmert und dabei gemerkt, dass es schön wäre, wenn diese Arbeit jemand länger fortführen würde. Ich hatte Monte Azul angeboten, diesen Posten weiter zu machen. Gleichzeitig hatte ich dort damals meine Freundin, und heutige Frau, kennen gelernt, was ein weiterer Grund war, gerne dort zu sein. Eigentlich wollte ich dann nur drei Monate in Deutschland einschieben, hatte aber meine Rechung nicht mit der Uni Hamburg gemacht, wo die Einschreibungsfristen anders waren als gedacht. Insofern war ich hier für ein Jahr unfreiwillig verhindert zurückzukehren.
Nach meiner Rückkehr nach Monte Azul arbeitete ich dann als „Assistent für institutionelle Entwicklung“, während ich gleichzeitig studierte.
wie Menschen trotz schwieriger Bedingungen ein gutes und fröhliches Leben führen können
Mir hat diese ganze Zeit ein völlig anderes Lebensgefühl und einen anderen Blickwinkel gegeben, als wenn ich in Deutschland geblieben wäre. Es ist dieses berühmte „über den Tellerrand schauen“ und eine Selbständigkeit, die ich dort erworben habe. Ich fand es faszinierend, wie Menschen trotz schwieriger Bedingungen ein gutes und fröhliches Leben führen können. Das hilft mir heute auch noch persönlich, Schwierigkeiten etwas leichter zu nehmen. Bei meinem Studium der Soziologie hat es natürlich total geholfen, in einem Sozialprojekt zu arbeiten, in einer Region, die häufig von Soziologen untersucht wurde.
C. P.: Was war in der Associação das, was Sie am meisten beeindruckt hat?
D. Pauschinger: Ich fand es beeindruckend, dass Kinder, die damals bei Ute Craemer bedürftig an die Tür geklopft hatten, heute selber das Projekt mitgestalten. Eine heutige Köchin, die bitterarm aus dem Nordosten nach São Paulo gekommen ist, in der Hoffnung, dass ihr Leben besser wird, hat nun als Erwachsene eine der Führungspositionen in Monte Azul. Es wird gemeinschaftlich daran gearbeitet, dass das Leben besser wird.
Das ist es auch, was viele beeindruckt. Ich habe immer die Berichte gelesen derjenigen, die nach ihrem Dienst aus Monte Azul dann weggingen. Sie sagen immer: eigentlich habe ich mehr mitgenommen als ich da lassen konnte.
das ist der „Geist“ von Monte Azul, dass auch das Kleine schon etwas bringt
C. P.: Was nimmt man mit?
D. Pauschinger: Man erlebt dort eine sehr positive Einstellung, mit der Situation umzugehen. In der Organisation selbst lebt etwas, was schwer in Worte zu fassen ist. Es ist eine Art Energie, Monte Azul „lebt“: es gibt Veranstaltungen, immer wieder werden neue Projekte durchgeführt, jeder kennt jeden. Es lebt die Auffassung: Keiner weiß schon alles und jeder kann jedem etwas beibringen. Es herrscht dieser permanente Glaube an das Gute im Menschen. Natürlich haben nicht alle 3000 Bewohner von der Favela Monte Azul mit der Associação zu tun, aber alle profitieren davon. Wir haben uns immer wieder gesagt, dass wir nicht allen Kindern helfen können, aber wenn sich eines in einer Gruppe von 30 Kindern an das erinnert, was wir ihm mitgegeben haben, ist schon etwas erreicht.
Das ist auch der „Geist“ von Monte Azul, dass auch das Kleine schon etwas bringt und dass man immer weiter macht. Es gab auch schon schwierige Zeiten, was die Finanzen oder Gewalt anbelangt, und trotzdem war immer der Wille da, gemeinschaftlich etwas zu schaffen.
C. P.: Wie ist denn jetzt Ihre Beziehung zu Monte Azul, wo Sie wieder in Deutschland sind?
D. Pauschinger: Seitdem arbeite ich ganz viel für Monte Azul von hier aus, bin dabei mit anderen einen Verein zu gründen „International Monte Azul“, um die Sache von hier aus weiter zu unterstützen.
eine Tagung über Monte Azul
C. P.: Es wird im Oktober eine Tagung geben über Monte Azul. Was können Sie dazu berichten?
D. Pauschinger: Die Tagung mit dem Überbegriff „Soziale Plastik – Monte Azul“ wird stattfinden vom 3. bis 5. Oktober im Goetheanum in Dornach.
Ute Craemer wird anwesend sein, Gerald Häfner von Mehr Demokratie e.V. u.a., viele Brasilianer aus Monte Azul kommen dazu. Es soll in diesen drei Tagen vermittelt werden dieser Geist – oder auch die Energie -, die in Monte Azul herrscht. Das soll in eine Art Erlebnis verpackt werden, in den gemeinsamen Workshops und in Vorträgen.
Joseph Beuys hat die soziale Plastik entworfen mit den drei Grundbedürfnissen der Freiheit, Gleichheit und Solidarität, und der Mensch mit seiner Menschenwürde wird in den Mittelpunkt gestellt. Der Mensch möchte frei sein, um seine Fähigkeiten mit anderen Menschen zu entwickeln, möchte als Gleicher unter Gleichen behandelt werden und Solidarität schenken und selbst in Anspruch nehmen. Es gibt den Kunstlehrer und Künstler Herrmann Pohlmann aus der Waldorfschule in Hamm. Er selbst hat lange in Monte Azul gearbeitet. Er hat den Begriff der sozialen Plastik auf Monte Azul angewendet, bzw. er sagt, dass sie dort immer wieder zum Vorschein kommt, dass eben Solidarität herrscht und jeder in Freiheit sich entfalten kann. Monte Azul ist in permanenter Verwandlung, die Dinge werden immer wieder neu besprochen, neu erfunden und neu gestaltet. Das ist ein Prinzip der sozialen Skulptur: eine Form zu haben und gleichzeitig lebendig zu sein. Das ist es, was in Monte Azul lebt und was in dieser Tagung zur Sprache kommt.
Die Einladung auf die Tagung richtet sich an alle.
Termin
3. bis 5. Oktober: Tagung: „Soziale Plastik – Monte Azul“ in Dornach am Goetheanum
Nähere Infos und Anmeldung:
Tel.: 0041-(0)61-7064444
Jan Mergelsberg:
Tel.: 0178-1959711
www.goetheanum.org
www.monteazul.org.br
Infos Dennis Pauschinger:
Email: "> Tel.: 0163-6020809