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Die Macher von Morgen
– junge Menschen gründen eine Ideenschmiede
Interview mit den Oberstufenschülern
Anfang 2009 hat eine Gruppe junger Menschen die Ideenschmiede „f13 | zukunft ist jetzt“ ins Leben gerufen. „Das Label f13 verbindet junge Menschen, die Fragen stellen, und unterstützt diejenigen, die sich eine Fragefähigkeit erarbeiten wollen.“ Vor allem Fragen nach neuen Wegen in Schule und Bildung und somit nach gesellschaftlicher Gestaltungsmöglichkeit stehen im Mittelpunkt.
Sie unterteilen ihre Aktivitäten in vier Einheiten: „input“, „freies Abi“, „café“ und „dein projekt“. Mit viel Elan richteten sie einen Raum in der Forum-Initiative im Mittelweg 145a her, der seitdem ein Treffpunkt ist; erfahrene Dozenten kommen und stellen ihr Wissen zur Verfügung. Dass das freie Abitur an den Auflagen der Behörden scheiterte, war dann eine Erfahrung, die verdaut werden muss. Ein Fazit: „Es ist kein Fehler, wenn es nicht so läuft, wie es laufen soll – das ist normal. Wichtig ist, sich selbst jeden Tag neu zu befragen.“
Lukas Stolz: 18 Jahre alt, war 11 Jahre lang in der Waldorfschule Bergstedt, danach 1 Jahr in Wandsbek „ Mir hat dort die 12. Klasse mit dem Theaterprojekt und der Jahresarbeit sehr gefallen“
David Voigt: 19 Jahre alt, war 12 Jahre in der Rudolf Steiner Schule Bergstedt „irgendwann hatte ich das Gefühl, dass das nicht mehr ganz das Richtige ist und versuchte dann das freie Abitur durchzuführen; dadurch kam ich in die Steiner Schule Wandsbek“
Kim-Fabian von Dall´Armi: 20 Jahre alt, war zwölfeinhalb Jahre in der Rudolf Steiner Schule in Wandsbek und brach dann das Abitur ab, um das f13 aufzubauen. „Das entstand aus der Arbeit mit „Blickwechsel“, eine Schülerzeitung von den sechs Hamburger Waldorfschulen, was für mich ein Vorläufer war von f13. Der zweite Anstoß, das Abitur abzubrechen, kam aus meiner Arbeit als Bundes-Schülervertreter, wo ich mit vielen neuen Gedanken zum Abschluss und Abitur konfrontiert wurde.“
Alle drei erarbeiten sich seit Ende des „freien Abiturs“ an der Waldorfschule HH-Wandsbek ihre Hochschulzugangsberechtigung.
C. P.: Was war der Anfangsimpuls für f13?
Lukas Stolz: Wir hatten festgestellt: Die Welt hat einen bestimmten Zustand und braucht bestimmte Dinge, und wir haben auf der anderen Seite bestimmte Interessen. Wir wollen das, was uns persönlich interessiert, mit dem zusammenbringen, was die Welt fordert, beispielsweise Fragen der Klimaveränderung, Finanzkrise etc.
David Voigt: Das sollte auch Inhalt unseres freien Abiturs sein: unsere Interesse an bestimmten Themen in Verbindung bringen mit den Anforderungen der Gesellschaft.
C. P.: Was passiert bei f13?
Kim Fabian von Dall´Armi: Wir wollen die Initiative junger Menschen stärken – uns eingeschlossen – und das zur Verfügung stellen, was es braucht, damit sich diese Initiative verbessern und entwickeln kann. Dafür braucht es einen Raum, in dem man arbeiten kann. Das nennen wir „dein projekt“. Es braucht Starthilfe – „Input“: dafür organisieren wir die Seminare – und ab und an braucht es die Möglichkeit, einen Ort zu haben, wo man sich austauschen kann und Menschen begegnet: das ist das „Café“.
Ein Gerüst, damit junge Menschen Ideen entwickeln
Diese drei Komponenten bezeichnen das „Label f13“: Ein Gerüst, damit junge Menschen Ideen entwickeln, die Ausstrahlung haben und Menschen anziehen.
Das freie Abitur, unser Anfangsimpuls und ehemals die vierte Komponente, ist inzwischen leider nicht mehr Teil des f13 …
C. P.: Wie kam es, dass das freie Abitur rausgefallen ist?
David: Rückblickend würde ich sagen, dass wir mit einer gewissen Naivität an die Sache herangegangen sind. Wir haben lange Zeit mit der Behörde verhandelt, um eine Ausnahmeregelung für die Zulassung zum externen Abitur zu bekommen. Im Juni 2009 erhielten wir die Genehmigung, und starteten unser Projekt. Dann bekamen wir von der Behörde andere Anforderungen, und diese waren sehr hart und wesentlich schwieriger als das Schulabitur. Es wurde auch immer schwieriger, mit der Behörde zusammenzuarbeiten; beispielsweise kam noch eine weitere Schülerin dazu, und es wurde nicht ermöglicht, sie noch mit dazu zu nehmen.
Schlussendlich wurden wir Mitte Oktober von der Behörde mit der Aussage konfrontiert, nur die Genehmigung zur Bewerbung erhalten zu haben, erst danach würden wir möglicherweise die Erlaubnis bekommen, es auch schreiben zu dürfen. Wir hatten es aber so verstanden – und unserer Meinung nach auch so vereinbart -, dass wir die sichere Genehmigung hätten, es abzulegen.
Aufgrund dieser Unsicherheit wurde der Druck und die Belastung einfach zu groß, wodurch der Spielraum für methodische und inhaltliche Freiheiten zusehends verkleinert wurde. Und somit konnten wir unser Anliegen, das Eigene mit dem Geforderten in einen „produktiven Einklang“ zu bringen, unter diesen Umständen nicht umsetzen.
Kim-Fabian: Wir dachten, dass wir mit unserer Idee das Programm von Christa Goetsch zu der Schulreform umsetzen („Selbstverantwortete Schule SVS“, Anm. d. Red.). Wir hatten mit ihr gesprochen, und sie hatte uns ermuntert zu unserem Vorhaben. Pustekuchen! Da waren wir naiv, wir hatten nicht gesehen, dass die Institution träge ist und kein Interesse hat, uns zu unterstützen.
C. P.: Jedenfalls habt Ihr Euch davon nicht unterkriegen lassen und macht mit Eurem Projekt weiter. Wie geht es jetzt weiter mit f13?
„Input“
Lukas: Glücklicherweise hatten wir schon in der Planungsphase die Inhalte, die uns wirklich interessieren von dem freien Abitur abgegrenzt. Damit beschäftigen wir uns jetzt im „Input“. Das sind beispielsweise Themenkomplexe wie Wirtschaftspolitik, Biographiearbeit, soziales Unternehmertum … Neulich war beispielsweise der Gründer von „Fritz Kola“ (Szene-Alternativgetränk zu Coca Cola, Anm. d. Red) bei uns und berichtete, wie aus seiner Idee ein Produkt und ein Unternehmen wurde. Zuvor hatten wir mit Lars Grünewald zum Thema „Zukunft der Arbeit“ mehrere Abende. Inspirierend war auch der „Input“ mit Gottfried Stockmar zum Thema „Wirklichkeit der Freiheit“. Generell sind es einfach Themen, die uns interessieren und uns wichtig erscheinen.
„in Freiheit Mensch werden“
Kim-Fabian: Es hat sich im Laufe der Monate einiges differenziert. Wir drei gehen jetzt der gedanklichen Arbeit im Rahmen der Schule nach. Andere unserer Initiativgruppe, Lilith und Gregor, haben sich entschieden, das Abitur jetzt nicht zu machen, sondern sie versuchen weiterhin einen „freien“ Lernweg zu gehen. Sie versuchen dabei, sich selbst und nicht die gesellschaftlichen Anforderungen als den Ausgangspunkt ihres Handelns zu nehmen. Besonders unser Café ist Gregors Arbeitsfeld. Das ergibt sich mehr oder minder aus seiner Lebenssituation, da Gregor nun natürlich stark mit der Frage konfrontiert ist, was es eigentlich bedeutet „in Freiheit Mensch zu werden“ – was dann natürlich auch ein Thema in unserem Cafe ist. Es findet ein- bis zweimal im Monat statt. Dazu kommen dann 15 bis 25 Leute.
einmal das „Eigentliche“ denken
Das „Café“ hat sozusagen ein Eigenleben, deshalb reden wir von ihm auch wie von einer dritten Person. Es möchte versuchen ein Raum zu sein, der die nötige Freiheit schafft, einmal das „Eigentliche“ zu denken. Außerdem fordert es seine Gäste auf, alles, was sie definiert, bis auf ihr „Menschsein“, auszublenden, um dadurch eine neue Basis für Gespräche zu schaffen. –
grünes Unternehmertum
Ein Seminar wie das mit dem Gründer von Fritz Kola ist dazu natürlich ein Gegenpol: Er erzählte uns etwas von marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten, wie man in der Welt ordentlich Geld macht für ein gutes Produkt, das gleichzeitig einen ökologischen Aspekt hat – grünes Unternehmertum. Zwischen diesen beiden Extrema bewegen wir uns.
C. P.: Wie kommt Ihr zu den Dozenten?
Lukas: Zum einen über persönliche Kontakte, andererseits über die Website oder Flyer, die wir veröffentlichen (in dem Hinweis 11/ 2009 lag z.B. ein solcher Flyer bei) Manche kommen auch einfach auf uns zu. Bei Fritz Kola haben wir selbst nachgefragt. Die Dozenten geben ihre Erfahrungen und ihr Wissen weiter, und dann tauschen wir uns dazu aus. Auf jeden Fall freuen wir uns immer über Angebote – wer will, der melde sich!
C. P.: Welche jungen Menschen kommen?
Lukas: Das sind vor allem Oberstufenschüler, viele noch aus dem Umkreis von „Blickwechsel“. Ansonsten Freunde und deren Freunde und die bringen dann wiederum andere mit …
Förderungen von der EU
C. P.: Wer sind die Förderer des Projekts?
David: Die Gemeinnützige Treuhandstelle bezahlt die Miete, die EU mit dem Programm „Jugend in Aktion“ den Rest: Honorar für die Referenten, laufende Kosten für Büromaterial, Publikationen, Fahrtkosten etc.
Kim-Fabian: Seit einigen Tagen haben wir noch einen dritten Förderer: Wir haben mit unserem Projekt die Auszeichnung „Pluspunkt Kultur“ gewonnen, ein Programm vom Ministerium für Bildung und Kultur. Die 1.000 Euro, die wir gewonnen haben, werden wir voraussichtlich in eine Art Abschlussfestival stecken …
C. P.: Das Projekt ist also von Eurer Seite aus begrenzt?
David: Das Projekt war von vornherein auf ein Jahr angelegt, danach wollten wir weiterschauen, ob sich Menschen finden, die die Idee und das f13 in dieser Form hier im Mittelweg weiter tragen. Momentan sieht es so aus, dass wir es zum Sommer 2010 abschließen.
Kim-Fabian: Dazu kommt, dass die Vorbereitung auf das externe Abitur eine konstante Arbeitsatmosphäre gebracht hat, die jetzt fehlt. Es war immer jemand da, hat den Raum belebt und es zog sich ein konstanter Arbeitsstrom hindurch. Da sind wir jedoch gerade auf der Suche, bzw. in Gesprächen mit Menschen, die durch eine regelmäßige, längerfristige Arbeit hier diese tägliche Konstanz wieder hineintragen.
sich ständig hinterfragen, sonst entwickelt es sich schnell zum Selbstläufer
C. P.: Welche Erfahrungen und Lernprozesse habt Ihr gemacht?
Kim-Fabian: Wir sind zu stark in die „Veräußerung“ gegangen: Wir haben eine super PR-Maschinerie aufgebaut: Konzeptpapiere und Flyer, eine top Website, einen perfekt designten Raum …
David: Wir haben einfach viel Wert darauf gelegt, dass das Label f13 wahrgenommen wird. Dabei haben wir die innere Substanz vernachlässigt – sie ist natürlich da, aber das Verhältnis ist aus dem Ungleichgewicht geraten.
Lukas: Es genügt nicht, dass man nur am Anfang einen Text darüber schreibt: Was will ich? Was ist dieses Projekt? Man muss es sehr ernst nehmen, sich das ständig zu fragen, sonst entwickelt es sich schnell zum Selbstläufer, und es entsteht eine Institutionalisierung, wie wir sie früher ständig kritisiert haben. Wir haben gemerkt, dass bei uns das begonnen hat, was wir an der Schule bemängelt haben. Es ist schwer, ein Projekt durch ständiges Fragen lebendig zu halten. Das ist für mich eine Kerneinsicht der letzten Zeit.
David: Ich dachte anfangs, dass ich einfach meine eigenen Interessen und die des Abiturs zusammenbringen kann. Jetzt habe ich gemerkt, dass das nicht sinnvoll ist, sondern ich stelle erst mal die eigenen Interessen zurück: Das Abitur hat in manchen Bereichen eine sehr hohe Anforderung, auf die man sich voll einstellen muss. Und die Schule ist dafür eine wirklich gute Möglichkeit. Ich empfinde inzwischen Dank und Respekt der Schule, bzw. den Lehrern gegenüber für die Arbeit, die sie machen. Das habe ich vorher nicht so erlebt. Ich habe selbst gemerkt, wie schwierig es ist, den Stoff interessant zu gestalten und gleichzeitig auch auf das vorzubereiten, was gefordert ist.
Das Wichtigste ist der konkrete Austausch zwischen realen Menschen
Kim-Fabian: Ich kann mich David anschließen. Mir ging es, vor allem in der 12. Klasse, sehr ähnlich. Ich bin in die Lehrerkonferenz rein: „Das können Sie doch so nicht machen! Das geht doch nicht!“, und habe viel randaliert und gefordert. Jetzt weiß ich, was es bedeutet, sich mit der Behörde wegen einem Paragraphen ein halbes Jahr lang rumzustreiten.
Zum anderen habe ich eine Ahnung davon bekommen, was die Aussage „so lange in Systemen gedacht wird, hat der Mensch keinen Raum“ meint: So lange man versucht einen gemeinsamen Nenner zu finden, ist man in der Verallgemeinerung begriffen und diese verhindert letztendlich das Wichtigste: nämlich den konkreten Austausch zwischen realen Menschen. Das habe ich in der Auseinandersetzung mit der Behörde gelernt. In dieser Richtung muss ich weiter forschen.
David: Willst du damit sagen: Wenn man Menschen in Kategorien steckt, verhindert das die Begegnung!?
Kim-Fabian: Im Prinzip schon, aber das drückt es nicht mit der Härte aus, die ich zum Beispiel in Bezug auf die Behörde meine – aber ich will nicht die Schuld auf die Behörde abwälzen: Ich bin letztendlich in die Institution Schule zurückgegangen wegen des Bedürfnisses nach Sicherheit.
Lukas: Am Anfang hatten wir vor allem das Bedürfnis nach Freiheit. Mit der Zeit und dem Projekt haben wir gemerkt, dass Freiheit unglaublich anstrengend ist und viel fordert.
Antworten sind gut, Fragen sind besser
C. P.: Gibt es eine wichtige Botschaft?
Kim-Fabian: Wir haben es einmal formuliert, aber eigentlich kommt es jetzt erst zum Tragen: Antworten sind gut, Fragen sind besser. Wenn man sich das nicht klar macht und nicht gewillt ist, jeden Tag alles aufs Neue über den Haufen zu werfen, dann kommt man nicht weiter, sondern bleibt stehen.
David: Das freie Abitur hat immer wieder viel Spaß gemacht und auch meine persönliche Entwicklung so gefördert, wie ich es von einer Schule erwarte, die auf die Gesellschaft vorbereitet. Ich bin der Meinung, dass man es auch weiterhin versuchen soll, aber dann braucht man mehr Zeit. 6 bis 7 Monate sind dafür zu wenig Zeit. Wir haben ein paar Fehler gemacht, und die Bedingungen waren auch relativ schwer, aber: wenn ich noch mal in der 11. Klasse wäre, würde ich es auf jeden Fall wieder versuchen. Anders natürlich, aber diesen Impuls umzusetzen ist genau das Richtige.
Wenn Prozesse anders laufen, als man es sich gedacht hat, soll man sich das nicht zurecht reden
Lukas: Ich kann mich dem anschließen, was Kim-Fabian gesagt hat: Es ist unglaublich wichtig, zu sich selbst ehrlich zu sein. Wenn Prozesse anders laufen, als man es sich gedacht hat, soll man sich das nicht zurecht reden, damit es der Vorstellung entspricht. Es ist kein Fehler, wenn es nicht so läuft, wie es laufen soll – das ist normal. Es ist wichtig, sich jeden Tag neu zu befragen.
Kontakt:
f13 | zukunft ist jetzt
www.fdreizehn.de
Mittelweg 145a
20148 Hamburg