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Ein verdichtetes Bild des Seins
Schauspiel nach der Michael Tschechow Methode
Interview mit Jörg Andrees, Regisseur und Schauspieltrainer
Gelungen ist Theater dann, wenn etwas Neues zwischen dem Zuschauer und der Bühne entsteht. Inwiefern ist der Schauspieler Künstler, wenn der Text und die Handlungen vorgegeben sind? Kann ein Schauspieler, in einer guten oder bösen Rolle, etwas vermitteln, was sein eigen-künstlerisches Verständnis der Welt und des Lebens spiegelt? Das wäre ein wesentlicher Aspekt der Kunst des Schauspielers.
Der Zuschauer trägt in sich nach einem Theaterstück im besten Falle ein anderes, bereichertes Bild des Lebens mit hinaus. Jörg Andrees „Ich sehe die Bedeutung des Schauspielens und des Theaters darin, dass die Wahrnehmung für das, was draußen im sozialen, sinnlichen und geistigen Leben geschieht, geschärft werden kann. Man bekommt künstlerisch zugespitzte, überhöhte oder transparentere Bilder des Lebens vorgeführt. Es wird dadurch möglich, sich selbst und die umgebende Lebenswirklichkeit differenzierter wahrzunehmen.“
Jörg Andrees: Geboren 1951 in Berlin, Studium der Film-Regie in Babelsberg (DDR). Meisterschüler von Heiner Carow. Eigene Dokumentar- und Kurzfilme. Studium der Chekhov-Acting-Techniqe in New York bei Ted Pugh und Fern Sloan. Mitbegründer des Michael Tschechow Studios Berlin, Leiter des Berufsbegleitenden Schauspielseminars. Initiator und Co-Organisator des ersten Michael Chekhov International Workshop 1992. Internationale Workshop-, Regie-, Vortrags- und Unterrichtstätigkeit, u. a. in Irland, USA, England, Österreich, Russland, Japan, Australien. Eigene künstlerische Produktionen als Regisseur und Schauspieler (Performance). Coaching von Schauspielern, Sängern, Musikern. Schauspiel-Arbeit mit Kollegien, Schülern und im sozialen Bereich. Entwicklung von Ansätzen einer Schauspiel-Therapie nach M.Chekhov. Dozent an der Alfred Schnittke Akademie International in Hamburg, bei Mensch Musik, Hamburg, und beim Zentrum für bewegte Kunst (ZBK), Berlin. Mitglied des Teaching Board von MICHA (Michael Chekhov Association, New York), und von MCE (Michael Chekhov Europe). Gründer und Leiter der Michael Chekhov International Academy (MCIA), die ein Michael Chekhov Intensiv Training Programme anbietet und zur Qualifikation als Chekhov Technique Facilitator führt.
Christine Pflug: Was ist das Besondere an der Tschechow-Methode?
Jörg Andrees: Der Schauspieler erarbeitet sich ein anderes Verhältnis zu sich selbst, zur Rolle und zum Leben in einer anderen Weise als in anderen Schauspielmethoden.
Viele Schauspielmethoden zielen darauf ab, und es gibt inzwischen sehr weit gefasste und differenzierte Auffassungen davon, eine schauspielerische Wahrhaftigkeit und Authentizität dadurch zu erzeugen, mit sich und mit seinen persönlichen Erlebnissen und Erfahrungen in die Situation der Figur zu gehen.
Mit seinen persönlichen Erlebnissen in die Situation der Figur gehen?
Ich kenne eine Schauspielerin, die eine Drogenabhängige spielen sollte. Sie nahm dann unter Kontrolle eines Arztes harte Drogen, weil sie selber die Erfahrung durchmachen wollte. Das kann man einerseits nachvollziehen, auf der anderen Seite kann man sich fragen: Wie weit soll das gehen? Warum braucht man für ein künstlerisches Hervorbringen einer Figur diese Identifizierung? Gibt es keine anderen Wege?
Tschechows Methode besteht darin, eine Rolle auf einem anderen Weg zu gestalten.
C. P.: Wie gestaltet der Schauspieler bei Tschechow die Figur?
Sich der Figur durch Imagination nähern.
J. Andrees: Man sollte natürlich bei aller Schauspielerei selbst gut im Leben stehen und dieses aufmerksam beobachten. Das andere ist, sich der Figur durch die Imagination zu nähern, d.h., aus dem Text und der Handlung, allem Gegebenen, meditativ sich die Figur zu verdichten, bis hin zu einem bildhaften Erleben der sie bestimmenden Lebensumstände. Man sieht und hört sie somit dann vor dem inneren Auge und Ohr, wie sie in ihren Umständen lebt und handelt.
Bei Stanislawski noch, einem der Urväter der modernen Schauspielmethodiken, würde es (vereinfacht zusammengefasst) heißen: Wie würde Ich in den gegebenen Umständen der Figur handeln und reagieren? – Also: Ich gestalte das Seelische der Rolle unmittelbar mit und aus meinen Erfahrungen. Stanislawski (und viele Andere auf ihre Weise, bis in die Gegenwart hinein) entwickelt dann u.a. bestimmte Psychotechniken für diesen Weg.
Tschechow dreht es um und sagt: Ich versuche die Figur in den sie umgebenden Umständen handeln zu sehen, nicht mich selbst. Und er fragt dann: Welche schauspiel-handwerklichen Mittel kann ich mir erarbeiten, der Rolle ein künstlerisch gestaltetes Leben zu geben?
Mit Hilfe der Imagination werde ich wahrnehmend für den Charakter der Figur. Ihr äußeres und inneres Leben erscheint vor meinem inneren Auge. Im weiteren Prozess wird mit Hilfe der ausgebildeten künstlerisch-handwerklichen Mittel diese Figur als Rolle verkörpert.
C. P.: Welche künstlerisch-handwerklichen Mittel sind es, die dem Schauspieler zur Verfügung stehen?
J. Andrees: Es gibt einen Kanon handwerklicher Mittel, die Tschechow für ein Training beschreibt. Mit denen erarbeitet sich der Schauspieler ein anderes Verhältnis zu sich selbst und zu der Figur.
Das betrifft im Wesentlichen drei Bereiche: Das Denken soll flexibel werden durch das Trainieren der Imagination und der Konzentration. Letztere spielt für die gesamte Tschechow Technik eine große Rolle. Weiterhin soll der Körper flexibel und aufnahmebereit werden für die Impulse, die aus der Imagination kommen, also ein von Tschechow so genanntes psycho-physisches Training mit viel Bewegung. Für den Bereich des mittleren Menschen, den Bereich der Empfindungen und Gefühle, gibt es dann ein Training für künstlerisch gestaltete Gefühle.
Hier geht es z.B. nicht darum, eigene erinnerte Gefühle durch Psychotechniken zu reaktivieren – „ich habe schon Ähnliches wie die Figur erlebt“, „ich erinnere mich…“ –, sondern zentral geht es darum, wie man das seelische Gebiet künstlerisch erzeugen und gestalten kann. Ein Weg ist hier wieder über die Imagination: Z.B. die Bilder zum Text, den Worten der Figur, die erschaffen werden sollen im Sinne dessen, wie die Figur es sehen könnte (Imagination).
Ein anderer Weg geht über die Bewegung. Dieser setzt voraus, einen Sinn für die Bewegungen selbst entwickelt zu haben, dass man ihnen innerlich gegenüber stehen kann, obwohl man sie ja selbst hervorbringt. Diese Bewegungen werden zum Bild für das, was seelisch geschehen soll, sind also selbst nicht direkt als darstellerische Bewegungen gemeint.
Ich darf nur das benutzen, was mein Unterbewusstsein mir aus freien Stücken zur Verfügung stellt.
C. P.: Welches Verhältnis braucht dann der Schauspieler zu sich selbst?
J. Andrees: Das ist einerseits einfach: ein freies! Andererseits ist es in Worten schwer zu beschreiben, da andere Schauspieltechniken ähnliche Worte benutzen würden.
Man hat ein Leben gelebt, und von daher hat man alle durchlebten Erfahrungen und Gefühle in sich. Verschiedene Schauspieltechniken treten nun gezielt an das Unterbewusste und an die persönlichen Erfahrungen heran: Wann habe ich ähnlichen Liebeskummer erlebt? Wann habe ich Mordgedanken gehabt? Komme ich an den Hass, den ich einmal erlebt habe, wieder heran?
Tschechow dagegen sagt: Ich darf nur das benutzen, was mein Unterbewusstsein mir aus freien Stücken zur Verfügung stellt, d.h. was es verarbeitet hat. Ich muss Mittel haben, durch die das Unterbewusstsein mir den Zugang schenkt. Dieses Mittel ist die Imagination: Wenn ich konkret in das Bild gehe, wie die Figur lebt oder wenn ich den Text befrage nach seiner Bildhaftigkeit unter dem Gesichtspunkt, wie die Figur das sieht (ich muss beispielsweise die Hochzeit der Figur sehen und nicht an meine eigene Hochzeit denken).
Wenn ich mich mit den künstlerisch-handwerklichen Mitteln intensiv befasse, sie mir erarbeite und sie in ein Verhältnis zu mir bringen, geben sie mir eine große Freiheit. Ich kann etwas gestalten, was nicht unmittelbar in meiner Seele, sondern in der Sache und meiner künstlerischen Intention liegt. Gleichzeitig gehen mit der Erarbeitung der handwerklichen Mittel eine Umwandlung und eine Entwicklung meiner Persönlichkeit einher. Das ist ein großartiges Phänomen: Ich kann nicht mehr bleiben, wie ich bin. Tschechow nennt das Transformation. Die Mittel, die ich für die künstlerische Arbeit einsetze, haben den „Nebeneffekt“, dass ich mein eigenes Gewordensein schrittweise bewusst umgestalten kann. Ich bin froh, dass dies für viele Menschen, mit denen ich arbeite, in der Regel erlebbar wird.
Andererseits gibt es immer wieder die eine große Frage: Ich habe ja nur mich selbst. Und wenn ich spiele, kann ich nur spielen und etwas gestalten aus meinen eigenen Erfahrungen heraus.
Wie verhält sich nun mein Unterbewusstes zu dem Prozess, den Tschechow anregt? Kann ich denn nicht nur aus diesem mein Sein schöpfen?
Natürlich ist die Antwort nicht leicht in wenigen Worten zu geben. Vor allem, weil es sich hier wiederum um etwas handelt, das dann letztlich nur erfahren werden kann. Ich will es versuchen: Einerseits ist der Einwand richtig. Zugleich bleibt die Frage: Was von dem, das in meinem Unterbewusstsein ruht, soll und darf zu welchem Zweck und Zeitpunkt von mir aufgeweckt werden, um es künstlerisch zu benutzen? Hat das Unterbewusstsein nicht auch eine gesunde Funktion dahingehend, Erlebnisse in Ruhe zu verarbeiten und dann mir als Erfahrung neu zu Verfügung zu stellen? Was passiert, wenn ich zu früh an solche Erlebnisse herantrete? Und was, wenn ich für verschiedene Rollen dann doch wieder und wieder die gleichen persönlichen Bestände reaktiviere? Und wer hilft mir (und wie), wenn ich die einmal aufbrodelnden Vergangenheitserlebnisse nicht wieder in den Bereich der Schutzschicht des Unterbewussten zurück bekomme? Hier kommt man an die Grenze von jeglicher Art von Psychotechnik und wechselt vielleicht schon in den Bereich der Psychotherapie.
Und: Gibt es nicht auch eine „überbewusste“ Inspirationsquelle? Gibt es nicht auch eine künstlerisch-kreative Quelle, die über meinen persönlich-alltäglichen Erfahrungsraum hinausweisen kann?
Tschechows Trainingsanregungen wollen einen Weg leiten zu diesen Quellen.
C. P.: Es geht also um Inspirationen statt um Nachbildungen?
J.Andrees: Ja, vielleicht kann man das so beschreiben. Tschechow war immer auf der Suche, methodisch für den Schauspieler zu beschreiben, wie der kreative Prozess bewusst erschlossen und geführt werden kann.
Er selbst war ja ein genialer Schauspieler. Vieles ist ihm quasi geschenkt worden. Er lebte in einer kulturgeschichtlich sehr aufregenden, anregenden und schwierigen Zeit in Moskau, die ihm in den Begegnungen mit gleichsam genialen Kollegen ungeheuer viele Anregungen und Einsichten vermittelte. Dann ist er der Anthroposophie, der Eurythmie und der Sprachgestaltung begegnet. Durch seine Genialität konnte er das, was darin lebt, anders wahrnehmen, erkennen und umschmelzen.
Für seine Schauspielmethode hat er das alles miteinander transformiert. So schuf er eine Schauspieltechnik, die über das Persönliche hinausgeht und auch dem Zuschauer ein tieferes umfassenderes Erlebnis ermöglichen soll. Andererseits rechnet seine Schauspielmethode mit der kraftvollen Individualität des Künstlers. Durch diese ist es ja erst möglich, sich wach-bewusst dem Felde der kreativen Kräfte zu nähern.
„Das Kolorit der Bewegung“
In vielen seiner Begrifflichkeiten spiegelt sich das, und man sieht den Ursprung hindurchschimmern. Vielleicht ein Beispiel: Es gibt bei Tschechow den interessanten Begriff des „Kolorits der Bewegung“ (in der englischen Ausgabe heißt das „quality“). Es geht darum, dass man Bewegungen in einer bestimmten Empfindung ausführt – vergleichbar mit der Farbstimmung in der Eurythmie – beispielsweise gibt man der Bewegung das Kolorit „Angst“. Nicht ich selbst habe Angst, aber ich gebe dieser Bewegung, der ich wahrnehmend „innerlich gegenüberstehe“, bewusst das Kolorit – nicht das Gefühl – von Angst. Ich führe diese Bewegung nun mit dem „Kolorit“ der Angst aus. Der Effekt ist zweierlei: Einerseits erregt dies in mir als Spieler eine Empfindung, die als Angst wahrgenommen werden kann, und sie erzeugt im Zuschauer eine Art – wie man heute sagt – Resonanz des nämlichen Empfindens.
Empfinde ich etwas von dem, das ich nicht selbst bin?
C. P.: Was geschieht zwischen Bühne und Zuschauer? Wie verhält sich das zu unserer Wirklichkeit? Und für welche Wirklichkeit soll jemand als Schauspieler ausgebildet werden?
J. Andrees: Unsere Wirklichkeit ist vielschichtig. Und die soziale und politische Situation ist weltweit recht weit entfernt von den Idealen einer gerechten und menschenwürdigen Welt. Also, wofür macht man das als Ausbilder? Man kann sich fragen, ob wir nicht genug gute Schauspieler, gute Stücke, gute Filme haben – haben wir alles! Aber gerade diese vorhin beschriebene Qualität brauchen wir viel mehr. Ich glaube, wir haben viel zu viel die Tendenz, dass man beim Fühlen ins Selbstfühlen kommt, anstatt in das Mitfühlen und Nachempfinden. Wenn wir der Kunst begegnen, dass wir uns z.B. fragen: Was spricht denn in diesem Bild? Wenn ich vor einem Gemälde stehe, einer Theaterszene beiwohne, der Musik mich aussetze, empfinde ich etwas von dem, das ich nicht selbst bin? Bin ich so frei in mir selber, dass das im Werk Liegende sich mir aussprechen kann? Kann das etwas in mir auslösen, dass ich mich als Mensch auf einer anderen Ebene neu erlebe, und zwar in Resonanz mit dem Gesehenen, Gehörten? Und wunderbar, wenn es dann aus der Erinnerung – aus der Imagination – eine Resonanz zu meinem eigenen Werden gibt. Aber es resoniert das, was ich als künstlerisches Erlebnis von dem Dargestellten habe, und nicht, weil ich mich selbst in dem Kunstwerk erlebe oder gar nur aus meinem Wissen heraus denke „Monet ist schön.“
Als Schauspieler könnte ich das Anliegen haben, die Menschen an dem Spielen meiner Figur etwas miterleben zu lassen, das mehr ist als nur das, was durch die Inszenierung oder durch die Worte selbst ohnehin mehr oder weniger klar ist…
Wo ist denn der Schauspieler Künstler?
C. P.: Es sollte also etwas Drittes entstehen?
J. Andrees: Theater scheint mir dann gelungen, wenn etwas Neues zwischen dem Zuschauer und der Bühne, den Figuren entstanden ist. Das kommt natürlich auch zu großen Teilen von dem Schauspieler.
Tschechow hatte die Frage: Wo ist denn der Schauspieler Künstler? Wenn der Text, die Handlungen vorgegeben sind – worin besteht neben der handwerklichen dann die künstlerische Arbeit? Kann ich als Schauspieler, in einer guten oder bösen Rolle, immer etwas vermitteln, was mein Verständnis des Lebens und der Welt spiegelt? Auch ein Maler, ein Schriftsteller, ein Musiker versucht in seinem Werk etwas auszudrücken, was aus seinem Verhältnis zur Welt und zum Leben entspringt.
Tschechow führt hier für den Schauspieler den Begriff der Maske ein. Das ist keine geschminkte oder physische Maske. Er beschreibt es in etwa so: Der Schauspieler hat die gesamte Rolle, ihre Gestaltung, die er hervorbringt, als eine Maske, durch die er ausdrücken kann, was er selbst als Künstler über das Leben vermitteln möchte. Die Gestaltung der Rolle selbst wird also zur Maske, wenn man diesen Begriff recht versteht.
C. P.: Und welche Bedeutung hat Schauspiel dann als Kunst für die Gesellschaft?
J. Andrees: Ich denke, das Theater als moralische Instanz oder als politischer Initiator, wie es in der Geschichte war, funktioniert heute nicht mehr so in dieser Form. Das haben alle gemerkt. Theater hat eine allgemeinere und auf der anderen Seite eine individuellere Aufgabe.
Ich spreche da nicht gegen diese Formen, auch nicht gegen die momentanen starken Bemühungen um das dokumentarische Theater. Doch oftmals bleiben diese Formen zu sehr in der beschreibenden oder politischen oder sozial-kritischen oder der mehr oder weniger anklagenden Botschaft befangen. Mich selbst lassen diese Aufführungen meist innerlich hilflos zurück…
Das Bild ist „multi-dimensional“.
Was erlebe ich denn auf der Theaterbühne? Ich sehe ein verdichtetes, durchdrungenes Bild der gesellschaftlichen Gegenwart, einer vergangenen, zukünftigen oder gegenwärtigen. Das ist ein künstliches oder auch künstlerisch erzeugtes Bild, d. h. es ist durch jemanden „hindurchgegangen“. Es ist nicht die Realität, aber in dem Bild können die realen Verhältnisse und die Beziehungen zwischen ihnen anschaubar werden. Weil man sie aus verschiedenen Perspektiven erlebt, nämlich aus der Sicht der verschiedenen Figuren, ist dieses Bild „multi-dimensional“. Der Zuschauer kann wahrnehmend, verstehend – der Wille ist ruhig gestellt und muss in die Empathie und Imagination gehen – dieses verdichtete Bild des Seins durchdringen. Er trägt im besten Falle ein anderes inneres Bild mit hinaus und kann die ihn umgebende Realität und seine eigene Seele anders, möglicherweise genauer wahrnehmen. Denn man bekommt die Bilder transparenter manchmal überspitzter und verschärfter.
Letztendlich ist Theater nicht dafür da, sich selbst zu genießen – auch wenn es das gibt. Wenn man das miterlebt, was man sowieso schon kennt, wird lediglich das innere seelische Hamsterrad angeschoben.
Schauspiel, Theater sollte immer mit Schönheit, Leichtigkeit und Ästhetik verbunden sein.
C. P.: Die meisten gehen aber ins Theater wegen der Unterhaltung oder weil sie es schön, erbaulich, interessant finden …
J. Andrees: Das ist sehr wichtig. Schauspiel, Theater sollte ja immer mit Schönheit, Leichtigkeit und Ästhetik verbunden sein. Es geht nicht darum, dass ich ins Theater gehe mit der Haltung „jetzt will ich aber erkennen“. So funktioniert es nicht. Wenn es ästhetisch und gut gestaltet ist, wird meine Wahrnehmung subtiler. Auch nicht gemeint ist ein gemeinsamer Konsens in der Wahrnehmung. Doch gesamtgesellschaftlich wäre das schon ein Ziel: Die Menschen sind wahrnehmender, offener, geistig unabhängig – und somit weniger manipulierbar. Sie könnten sich freier entscheiden und würden nicht im Strom einer Werbung oder eines Wahlversprechens und eines von den Medien konfigurierten Bewusstseins mitschwimmen.
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Mobil: +491702429734.
Von Oktober 2017 bis Juli 2019 bietet Jörg Andrees mit weiteren internationalen Dozenten in Berlin das „Michael Chekhov Technique Intensive Training Programme“ an. Darüber hinaus gibt es weitere Kurse und Workshops, u.a. auch in Kooperation mit der Alfred Schnittke Akademie, Hamburg.
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