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Rudolf Steiner und Buddha
Vortrag von Anand Mandaiker, Priester der Christengemeinschaft
Der achtgliedrige Pfad ist das Herzstück des buddhistischen Weges. Rudolf Steiner greift in seinem Werk auf, was der Buddha gegeben hat und entwickelt daraus alltägliche Übungen. Es ist immer noch Buddhismus, aber Rudolf Steiner bereichert ihn durch das Christentum auf die Weise, dass es nicht darum geht, von dem Leid loszukommen, sondern es zu verwandeln.
Der Vortrag wurde veranstaltet vom Bau-Verein Hamburger Anthroposophen e.V. und fand am 26. Mai 2011 im Rudolf Steiner Haus statt.
Anand Mandaiker wurde in Madras/Indien geboren. In seinem früheren Beruf arbeitete er als Architekt in einem großen Büro in Stuttgart. Als Pfarrer war er in den Gemeinden Basel/Schweiz, und Tübingen tätig. Seit 2006 gehört er zum Leitungsorgan der Christengemeinschaft und seit eineinhalb Jahren ist er als Oberlenker mitverantwortlich für die Belange der Christengemeinschaft in der ganzen Welt, mit besonderer Zuständigkeit für die asiatischen Länder.
Zu dem Thema „Rudolf Steiner und Buddha“ kann man in verschiedene Richtungen schauen: Was hat Rudolf Steiner mit Buddha, was hat die Anthroposophie mit Buddhismus zu tun? Wie hat Rudolf Steiner über Buddha und den Buddhismus gesprochen? Was ist überhaupt der Buddhismus, von dem Rudolf Steiner spricht?
Ich möchte mich auf das „Herzstück“ des Buddhismus begrenzen, nämlich auf den achtgliedrigen Pfad, auch „Edler Achtfacher Pfad“ genannt. Diesen achtgliedrigen Pfad hat der Buddha kurz vor seinem Tod in Benares gepredigt, und zwar als einen mittleren Weg zwischen zwei Extremen, dass man sich einerseits zu sehr an die Erde, bzw. den Materialismus kettet und auf der anderen Seite vor dem Leben flüchtet.
Auch die Anthroposophie kann man als einen mittleren Weg sehen. Rudolf Steiner zeigte immer wieder auf, dass der Mensch hier auf der Erde zwischen zwei Kräfteverhältnissen steht, die er als luziferisch und ahrimanisch bezeichnete. Die eine Kraft will den Menschen in das Materialistische hinunterziehen und die andere Kraft von der Erde weg. In dieser Hinsicht ist die Anthroposophie dem achtgliedrigen Pfad sehr nah.
Rudolf Steiner spricht in seinen Vorträgen über das Lukas-Evangelium sehr viel über den Buddha. Einen Satz finde ich dabei sehr wichtig: „ Es ist Buddhismus, der aus dem Lukas-Evangelium auf den Menschen herausströmt.“ So ein Satz klingt befremdend. Gerade wenn man von Indien nach Europa gekommen ist, das Christentum und die Anthroposophie entdeckt hat und hört dann einen solchen Satz, fragt man sich: Warum bin ich überhaupt hierher gekommen? Ist das denn alles das Gleiche?
„Eigentlich ist es kaum von Bedeutung, ob der Buddha hier auf Erden gelebt hat“
In Benares hatte der Buddha einmal gepredigt: „Ihr werdet denken, ich habe Euch alleine gelassen, wenn ich nicht mehr hier bin. Aber dem ist nicht so. Ich habe Euch die Lehre gegeben, und wenn dieses Rad der Lehre sich anfängt zu drehen, werdet Ihr merken, dass Ihr mich gar nicht mehr braucht.“ Das ist erstaunlich! Ich bin einmal einem buddhistischen Mönch begegnet, und in einem sehr anregendem Gespräch sagte er zu mir: „Eigentlich ist es kaum von Bedeutung, ob der Buddha hier auf Erden gelebt hat oder nicht, denn wir haben seine Lehre. Und das ist das Wichtigste.“
So könnten wir über das Christentum nicht sprechen – „Hauptsache wir haben die Evangelien … “ Paulus sagt: „Wenn der Christus hier nicht auf der Erde gelebt und gelitten hätte, gestorben und auferstanden wäre, dann hätte das Christentum keinen Sinn.“ Das Entscheidende ist also, dass er auf der Erde gewesen ist und eine Tat vollbracht hat. Es ist wichtig, das im Hintergrund zu haben, wenn man über den achtgliedrigen Pfad spricht.
Rudolf Steiner erwähnt den achtgliedrigen Pfad einige Male, vor allem aber in seinem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten?“ Er empfiehlt die acht Übungen, um zu Wahrnehmungen der übersinnlichen Welt zu kommen, aber auch um in richtiger Weise zu verstehen, was auf der Erde um uns herum geschieht. Damit wird ein Zusammenhang zwischen der geistigen und der irdischen Welt hergestellt.
Steiner vermerkt in einer Fußnote, dass dabei kein Buddhismus gelehrt wird, sondern dass es sich um allgemeine Gesetzmäßigkeiten handelt. In seinen Vorträgen über das Lukas-Evangelium spricht er darüber, dass der Buddha mit der Erdenentwicklung verbunden bleiben wird, bis die Fähigkeiten des achtgliedrigen Pfades in jedem Menschen verankert sind. Er beschreibt auch das Verhältnis zwischen Buddha und Christus: Der Buddha war ein Vorbereiter des Christentums und ist nach der Kreuzigung und dem Mysterium von Golgatha ein Weggenosse des Christus geblieben.
Ich möchte in dem Sinne auf den achtgliedrigen Pfad hinschauen, wie zum einen Buddha darüber gesprochen hat und wie zum anderen Rudolf Steiner das übersetzt hat. Dabei möchte ich auch noch einen Schritt weitergehen im Sinne Rudolf Steiners, wenn er sagt, dass aus dem ganzen Lukas-Evangelium der Buddhismus heraus spricht. Das wiederum wirft ein Licht darauf, unter welchem Gesichtspunkt Rudolf Steiner die Übungen gegeben hat.
Der 1. Schritt:
In Pali, ein Schwestersprache zu Sanskrit, nennt man diesen Schritt
samma ditthi
Samma bedeutet „rechte“ und ditthi kann man übersetzen mit Vorstellung, Anschauung, Einsicht. Es geht darum, dass man innerlich etwas klar vor Augen hat.
Bei Buddha bedeutet es, dass man die vier Grundwahrheiten des Lebens erkennt. Die erste Grundwahrheit: das Leben ist Leiden; geboren werden, Krankheit, alt werden, sterben, getrennt sein von Menschen, die man lieb hat, zusammen sein mit Menschen, die man nicht lieb hat – das ist alles Leiden. Als zweite Wahrheit gilt es zu erkennen, wie das Leiden entsteht. Buddha nennt die Ursache den „Durst nach Dasein“. Die dritte „edle Wahrheit“ ist die Aufhebung des Leidens, und die vierte „edle Wahrheit“ ist der Weg, der zur Aufhebung des Leidens führt. Dieser Weg ist der achtgliedrige Pfad.
Rudolf weist bei diesem ersten Schritt darauf hin, wie in einem selbst Vorstellungen und Anschauungen entstehen. Man hat sich beispielsweise eine bestimmte Vorstellung gebildet von etwas, was man in der Welt wahrgenommen hat. Eine Woche später erlebt man dann etwas anderes und denkt, dass diese Vorstellung falsch war. Also: lieber bei einer Vorstellung so lange bleiben, bis man wirklich sicher ist, dass es die richtige ist. „Die richtige Sichtweise“, nennt er das.
„Und jetzt machen wir uns auf den Weg“
Ich habe das Lukas-Evangelium studiert und lange nach dem achtgliedrigen Pfad darin gesucht. Eines Tages wurde mir plötzlich deutlich, wie er darin enthalten ist: Es gibt ein Wort im griechischen „poreuo“, das man mit „gehen, der Weg, auf dem Pfade sein“ übersetzten kann. Es gibt im Evangelium eine Stelle, wo der Christus sagt: Und jetzt machen wir uns auf den Weg. Ich hätte natürlich gerne gehabt, dass dieses Wort achtmal vorkommt, aber es erscheint nur siebenmal … Aber es hat seine Richtigkeit, denn eigentlich besteht der achtgliedrige Pfad aus 7 plus 1 Stufen. Es ist wie in der Musik: Die achte Stufe ist eine Oktave, das ist eine Überhöhung der ersten Stufe. Wenn wir also auf der achten Stufe ankommen, ist das wie auf der ersten, aber auf einer anderen Ebene.
eine übernatürliche Verwendung des Leides
Im 9. Kapitel des 51. Verses des Lukas-Evangeliums kommt dieses Wort „poreuo“ zum ersten Mal vor. In der Übersetzung von Emil Bock heißt das: „Als die Zeit herannahte, da er aus dem irdischen Leben hinweg genommen werden sollte, richtete er unverwandt den inneren Blick auf sein Ziel und trat den Weg nach Jerusalem an“. Was ist Jerusalem? Das bedeutet Leiden, denn es führt in den Tod; aber es musste zu diesem Tod führen, denn sonst gäbe es keine Auferstehung. Man könnte dabei auch an einen Satz von Simone Weil denken: „Die unerhörte Größe des Christentums kommt daher, dass es nicht ein übernatürliches Heilmittel gegen das Leid sucht, sondern eine übernatürliche Verwendung des Leides.“ Simone Weil konnte das nur schreiben, weil immer wieder Ostern wird. Die Auferstehung gibt dem Tod und dem Leid einen ganz anderen Sinn.
Was der Buddha gesagt hat, ist völlig richtig, aber bevor es die Auferstehung gegeben hat. Der Christus richtet seinen inneren Blick auf das Ziel und bejaht das Leiden und den Tod, wissend, dass es einen ganz anderen Sinn bekommen hat.
Wir selbst haben ja genug Erfahrungen mit Leiden, wir kennen Krankheit, Alter, Tod, Trennungen etc. Aber die Frage ist, was wir damit machen. Wir haben auch erfahren, dass wir aus den leidvollen Momenten des Lebens am meisten lernen konnten, unter Umständen sind daraus die wichtigsten Entscheidungen im Leben entstanden. Das ist dann die „Verwendung“ des Leidens – so wie Simone Weil es gesagt hat.
In dem Moment, wenn man am tiefsten im Leid steckt, nützt es wenig, zu wissen, dass Leid einen Sinn hat. Aber die Zuversicht, dass ich nicht alleine auf diesem Leidensweg bin und dass es eine „Verwendung“ gibt, kann einem Mut geben.
Der 2. Schritt:
samma sankappa
Das kann übersetzt werden mit: der richtige Entschluss, das richtige Urteil, Ziel. Das Wort, was ich gefunden habe und was der Bedeutung am nächsten kommt: „ich gedenke etwas zu tun“, d. h. was ich mir in den Vorstellungen gebildet habe, verbinde ich jetzt mit meinem Willen.
Dieser Schritt ist für uns heute sehr wichtig. Schon vor dem Einmarsch in den Irak in 2003 gab es dieses Phänomen: In den Zeitungen stand überall, dass es jetzt einen Krieg gibt, von dem eigentlich alle wussten, dass die Gründe nicht stimmen, dass Saddam Hussein nämlich keine Massenvernichtungswaffen hatte. Und trotzdem wurde dieser Krieg geführt und wir waren wie gelähmt. Es gibt vieles, im guten wie im schlechten Sinne, von dem man weiß, was man zu tun hätte, aber trotzdem bleibt die Frage, wie man den Entschluss zu einer Handlung findet.
Wenn man sich entschieden hat, den Weg des Buddhismus zu gehen, muss man sein Leben total ändern; man muss dann vielem – auf friedliche Art – entsagen.
Das ist aber auch für alle Menschen ein Thema. Dazu ein persönliches Beispiel: Wenn ich am Abend vor einer Weihehandlung im Kino war und am nächsten Tag vor dem Altar stehe, tauchen die Bilder wieder auf. Und sie haben in dieser Stunde nichts zu suchen; also dann muss ich entsagen, lieber am Freitag und nicht am Samstagabend ins Kino gehen, damit ich nicht besetzt bin.
Die heutigen Medien mit Handy, Internet etc. sind vielfach stärker als ein Kinofilm – wie will man damit umgehen? Darin liegt auch eine Entsagung. Dafür braucht man Ich-Kraft.
Im Lukas-Evangelium, 57. Vers, 9. Kapitel, steht: „Und als sie auf dem Wege vorwärts schritten, sprach einer zu ihm: ich will dir nachfolgen, wo immer du auch hingehst. Jesus aber sprach zu ihm: Die Füchse haben ihre Höhlen, die Vögel ihre Nester, der Menschensohn aber hat keine Stätte, wo er sein Haupt hinlegen kann.“
Wenn man einen geistigen Weg gehen möchte, das Geheimnis von Tod und Auferstehung im Alltag entdecken will, muss man etwas tun. Im Sinne des Lukas-Evangeliums ist das der Entschluss zur Heimatlosigkeit – also ganz ähnlich dem, was der Buddha als Entsagung bezeichnet. Aber Heimatlosigkeit im christlichen Sinne bedeutet vielleicht doch noch etwas anderes: „Heimat ist immer, wo wir auch sind, denn wir sind des Herren.“ Das ist etwas, was der eine oder andere in seinem Leben schon entdeckt hat, denn Heimatlosigkeit bedeutet gleichzeitig auch, dass man überall zuhause ist, weil man dieses „Zuhause“ in sich trägt.
kein Geschwätz
Der 3. Schritt:
samma vaca
heißt das „richtige Wort“ oder die „richtige Rede“.
Bei dem Buddha soll man beim „richtigen Wort“ vier Dinge berücksichtigen: nicht lügen, kein Geschwätz, keine Beschimpfung und keine Verleumdung.
Nicht lügen – das kann man sich relativ leicht vornehmen. Aber „kein Geschwätz“ – das ist doch schon viel schwieriger. Für einen Inder ist es fast unmöglich! Keine Beschimpfung – auch nicht über Angela Merkel oder sonst jemand. Keine Verleumdung – ich weiß nicht, wie viele Zeitungen noch existieren würden, wenn sie sich daran hielten.
Bei Rudolf Steiner heißt das: „Nur, was Sinn und Bedeutung hat, soll über die Lippen kommen.“ Es liegt eine Wendung darin: der Buddha sagt, was man nicht tun soll, Steiner hebt hervor, was man tun soll.
Wie macht man das, dass nur das, was Sinn und Bedeutung hat, über die Lippen kommt?
Bei Lukas heißt es im 10. Kapitel im 38. Vers: „Auf seinen Wegen kam er einmal in ein Dorf. Und eine Frau, die Martha hieß, nahm ihn in ihr Haus auf. Die hatte eine Schwester mit Namen Maria. Diese setzte sich zu den Füßen des Herrn und lauschte auf sein Wort.“ Als Martha sagte, Maria solle ihr ein helfen, erwiderte der Christus, Maria mache das einzig Richtige: Sie hört zu. Ist das der Schlüssel, um das richtige Wort zu finden? Denn beispielsweise ist „das richtige Wort“ für meinen Sohn nicht das „richtige Wort“ für meine Tochter. Das „richtige Wort“ heute für meinen Sohn ist schon morgen für ihn nicht mehr das richtige Wort.
„Was will gesagt werden?“
Als ich in Basel arbeitete, war ich mehrmals in der Woche in der Lukas-Klinik; das ist eine Krebsklinik, und die meisten Patienten dort wissen, dass sie bald sterben werden. Ich stand dann vor der Tür eines Krankzimmers und wusste, dass der Patient vielleicht nur noch ein paar Tage zu leben hatte. Im Zimmer begegnete ich einem Menschen, den ich nie vorher gekannt hatte – und was sollte ich jetzt sagen? Man konnte denjenigen nicht begrüßen mit „Grüezi, wie geht es Ihnen?“ Und selbst wenn man vielleicht das erste Wort oder die ersten Sätze gefunden hatte, sitzt man da und überlegt, was dieser Mensch die letzten Stunden vor dem Tod hören will. Alles, was man weiß und gelernt hat, nützt in so einer Situation gar nichts. Ich habe versucht zu lauschen: „Was will gesagt werden?“ Nach dem Lukas-Evangelium kommt das richtige Wort aus dem Lauschen und Hören. Gandhi war ein Mensch, der es ernst genommen hat, dass das Wort ein göttliches Wesen ist und wenn es aus dem Mund kommt, muss es Sinn haben. Es geht darum, dass wir das Wort sich selber aussprechen lassen, damit ein anderer Mensch hören kann, was er jetzt braucht.
Der 4. Schritt:
samma kammanta. Das ist die richtige Tat oder Handlung.
Wenn wir es so betrachten, dass wir nur sieben Schritte haben, wären wir damit in der Mitte.
Der Buddha weist wieder auf das hin, was man nicht tun soll: nicht verletzen, nicht töten; nicht nehmen, was einem nicht gegeben ist. Kein unsittliches Liebesleben. Für die engsten Schüler des Buddha bedeutete das Keuschheit, für die anderen heißt das „kein Ehebruch“.
Bei Rudolf Steiner lautet das ganz anders: Man soll seine Handlungen so einrichten, dass sie mit den Handlungen der Mitmenschen und der Umgebung im Einklang sind. Bei der Tat kommt es also nicht nur darauf an, dass man sie als richtig erkannt hat, sondern auch, ob es zu den Menschen und zu der Umgebung passt. Steiner sagt in seiner Philosophie der Freiheit: „Leben in der Liebe zum Handeln und leben lassen im Verständnis des fremden Wollens.“ Wenn ich fremdes Wollen verstehen will, muss ich auch von mir absehen können. Im Familienleben kennt das jeder: ich kann ja nicht nur das tun, was ich für richtig halte, sondern muss darauf achten, ob es für die anderen passt.
Bei Lukas (Kapitel 11) ist man in der Mitte von den sieben Schritten. Da wird beschrieben, wie der Christus auf dem Wege ins Gebet vertieft ist – er macht eine Pause. . Es wird nicht gesagt „tue das nicht, tue jenes nicht …“, sondern man betet. Und im Gebet heißt es ja „dein Wille geschehe“. Ich als Mensch kann nicht überblicken, ob das, was ich tue, im Einklang steht; ich lasse es „sein Wille“ sein.
Auch im Alltag ist dieser Moment, in dem man in der Mitte steht, sehr kostbar, um sich in Einklang zu bringen mit dem großen Willen. Aus dieser Ruhe findet man die Kraft, um das zu tun, was notwendig ist und gleichzeitig im Einklang mit den anderen Menschen steht.
Der 5. Schritt:
Samma Ajiva bedeutet: rechtes Streben, rechtes Üben, rechte Anstrengung
Bei Buddha kommen zu den vorigen Regeln noch zwei weitere dazu: Wahrhaftigkeit und keine berauschende Getränke.
Rudolf Steiner sagt zu diesem Schritt, man solle natur- und geistgemäß leben.
Bin ich im Einklang mit meinem Schicksal? Gehört es wirklich zu mir, was ich jetzt tue und sage? Was ist jetzt meine Aufgabe? Man soll sich also keine Vorstellungen bilden von der eigenen Aufgabe, sondern in jedem Moment hinspüren, ob man wirklich tätig werden soll.
Inzwischen ist es in Deutschland auch so wie in Indien, dass man auf der Straße immer wieder Bettler sieht. Bin ich jetzt gefragt oder gehe ich an ihm vorbei? Es geht also nicht darum, grundsätzlich immer etwas zu geben – sonst hat man bald nichts mehr – oder aus Prinzip nichts zu geben, sondern den Blick dafür zu öffnen: Ist es an mir, in dieser Situation etwas zu tun? Das gilt natürlich für alle Notfälle auf dieser Welt.
die Pforte des eigenen Ichs
Bei Lukas (13/24) wird der Christus gefragt, ob das „Heil nur Wenigen zuteil wird“. Seine Antwort: „Strengt alle Kraft an, um durch die enge Pforte den Zugang zu finden.“ Was ist „die enge Pforte“, durch die wir immer hindurch müssen? Es ist das „Ich“. Daraus immer wieder zu handeln, ist die richtige Lebensweise. Wenn man nicht dem breiten Strom der Masse folgt, ist diese Pforte des eigenen Ichs immer wieder sehr eng.
Ein Beispiel aus dem Alltag des Zusammenlebens von Mann und Frau: Klopft man nach einigen Jahren immer noch an und fragt, ob man reinkommen darf? Ist man sich immer noch bewusst darüber, dass man durch eine Tür geht, d. h. in der Begegnung das Ich des anderen aufsucht?
Der 6. Schritt:
Samma Vyayama bedeutet rechtes Streben, rechtes Üben. Nach dem „richtigen Leben“ kommt der Schritt, wie man den „Bogen“, d. h. den Willen spannen kann. Wenn man den spirituellen Weg schon im Alltag lebt, braucht man die Kraft dafür nicht nur vorübergehend, sondern für lange Zeit. Wie beim Bogenschießen muss man auch in der Lebensführung wissen, wie lange man den Bogen spannt und wann wieder eine Entspannung, d. h. ein Loslassen kommt.
Ich selbst kann mich noch gut erinnern, als unser zweites Kind geboren wurde: Wir hatten nun zwei Babies mit Windeln – und damals waren das noch Stoffwindeln. Jeden Abend stapelten wir einen Berg von gewaschenen Windeln. Das hörte nie auf!! Irgendwann sagte eine alte, erfahrene Großmutter: „Irgendwann vergisst man, dass es solche Zeiten gab.“ Ich merkte: „Stimmt! Das bleibt nicht das ganze Leben lang.“
Den Willensbogen spannen bedeutet, sich Dinge zur Pflicht zu machen. Pflicht ist gemeint im Sinne von Schiller „lieben, was ich mir selbst befehle“. Dann ist Pflicht auch nicht mehr schwer.
Im 17. Kapitel, Vers 11 kommt die Geschichte von den 10 aussätzigen Männern, die geheilt werden. Christus sagt, dass sie sich den Priestern zeigen sollten; einer von ihnen kommt zurück und bedankt sich. Christus: „Sind nicht zehn geheilt worden? Wo sind nun die anderen neun? Kehren sie nicht zurück, um die Gotteskraft zu preisen?“ Er meint damit nicht, dass sie sich bei ihm persönlich bedanken sollen.
Steiner spricht davon, wie wichtig es sei, dass ein kleines Kind die Dankbarkeit kennenlernt, denn aus dieser Stimmung entsteht die Gottesliebe und daraus wiederum Liebe zur Pflicht. Es geht also darum, im Alltag die Dankbarkeit zu üben – als Grundlage der Pflicht.
Der 7. Schritt:
Samma sati heißt echte Achtsamkeit, Wachheit, rechtes sich erinnern, rechte Bewusstheit.
Steiner sagt an dieser Stelle, dass man „fortwährend vom Leben lernen solle“. Beim 7. Schritt ist man schon am Ende dieser Stufen und es geht darum, eine bestimmte Art der Erinnerungen zu pflegen.
Im Lukas-Evangelium (18,35) begegnet Christus einem blinden Bettler, der ihn darum bittet, wieder sehen zu können. Im Griechischen gibt es verschiedene Worte für sehen. In diesem Falle heißt es „hinaufschauen“.
Im Grund genommen sind wir alle blind und müssen alle lernen „hinaufzuschauen“. Neulich hatte ich mit einer Gruppe Jugendlicher die Übung gemacht, dass sie auf Blumen in einer Vase schauen sollten. Wir kamen so weit, dass sie sagten: „Wir sehen, dass die Pflanzen echt sind, also nicht aus Plastik.“ Damit sahen sie schon mehr als das Physische, das ist der Anfang von etwas Geistigem.
Es geht darum, dass wir dieses Geistige noch mehr sehen lernen, auch, dass wir uns daran erinnern können, dass wir aus der geistigen Welt kommen. Im Sinne des Buddhas sind wir aus dem „Durst des Daseins“ auf die Erde gekommen und nun erinnern wir uns wieder an den Ursprung.
das Geistige, was zwischen dem Physischem liegt
Rudolf Steiner gibt an, wie man jeden Tag aus den Erfahrungen lernen kann: man soll sich abends genau erinnern, was am Tag gewesen ist. Wenn man sich beispielsweise ein Gespräch mit einem anderen Menschen ins Gedächtnis ruft, erinnert man sich an Dinge, die man während des Gesprächs gar nicht bemerkt hat: Man kann den Sinn der Worte „zwischen“ den Zeilen verstehen. Das ist das Geistige, was zwischen dem Physischen liegt.
Wenn man gelernt hat, achtsam auf das Wirken des Geistigen im Physischen zu sein, kommt man zu dem
Der 8. Schritt:
Samma samadhi
rechte Sammlung, rechte Konzentration, rechte Versenkung, auch Meditation.
Im Lukas Evangelium (18/35) kommt der Christus an; sein Weg endet in Jerusalem.
Das Wort samadhi, besteht aus den Worten fest-zusammen-fügen. Die Meditation in diesem Sinne heißt nicht, dass man weg ist von dem Physischen, sondern das Geistige und das Physische werden wieder fest zusammengefügt – das, was eigentlich zusammengehört. Man könnte auch sagen, man ist eins mit sich selbst oder man ist eins mit der geistigen Welt.
Steiner schreibt in seinem Buch „Wie erlangt man Erkenntnisse höherer Welten“, dass man wenigstens einmal am Tag merken sollte, dass man ein Bürger zweier Welten ist. Das Geistige ist in dem Physischen und das Physische ist in dem Geistigen. Natürlich erlebt man das nicht alles sofort, denn dazu braucht man diesen Weg.
Ich finde es erstaunlich, wie Rudolf Steiner aufgreift, was der Buddha gegeben hat, und alltägliche Übungen daraus entwickelt. Es ist immer noch Buddhismus, aber er wurde durch das Christentum so bereichert, um nicht von dem Leid loszukommen, sondern es zu verwandeln.