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Wie entsteht gesellschaftliche Veränderung?
Interview mit Lars Grünewald
Viele Menschen und Gruppierungen streben eine Veränderung unserer Gesellschaft an. Wirkungsvolle Änderungen zeigen sich aber nicht in Form abstrakter Gesellschaftsstrukturen, sondern können nur auf individueller Initiative und der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen aufbauen und daraus hervorgehen.
Unsere Gesellschaft wird von drei Grundprinzipien dominiert, aus denen sämtliche gesellschaftliche Probleme, mit denen wir es gegenwärtig zu tun haben, entstehen.
Die Dominanz dieser Prinzipien kann nur durch individuelle Selbsterziehung überwunden werden.
Interviewpartner: Lars Grünewald, geb. 1962, Studium der Musikwissenschaften und Erziehungswissenschaften, danach privates Philosophiestudium. Seminare und Vorträge zu philosophischen und sozialwissenschaftlichen Themen. Außerdem Tätigkeit in schulischen Zusammenhängen (Unterricht, Lehrerbildung, Schulberatung)
Christine Pflug: Du behauptest, dass unsere Gesellschaft durch drei Grundprinzipien geprägt ist. Wie ist das zu verstehen?
Lars Grünewald: Diese Prinzipien sind erstens Konformität, d.h. Gleichförmigkeit, zweitens Konkurrenz im Sinne des Gegeneinanders von Menschen und Menschengruppen und drittens Determination oder Fremdbestimmung. Sämtliche Probleme, mit denen wir es gegenwärtig zu tun haben, entstehen aus diesen drei Prinzipien und ihrem Zusammenwirken.
C. P.: Auf welchen Ebenen wirken diese Prinzipien? Welche Beispiele gibt es dafür?
L. Grünewald: Das Konformitätsprinzip finden wir etwa in der internationalen Vereinheitlichung der Gesetzgebung: Unterschiedliche europäische Staaten, die früher autonom waren, sind bezüglich ihrer nationalen Gesetzgebung weitgehen durch Gesetzesvorlagen der europäischen Union bestimmt. Ebenso wird die Bildungspolitik, d. h. die Lehrpläne der Schulen und Hochschulen zunehmend vereinheitlicht. Insbesondere finden wir das Konformitätsprinzip in der die Vereinheitlichung der Informationen in den Medien, wodurch allgemeine Urteils-, Empfindungs- oder Handlungsmuster erzeugt werden.
C. P.: Ist das neu?
L. Grünewald: Nein, aber die Dominanz dieser drei Prinzipien wird zunehmend stärker, weil die Möglichkeiten, die gesellschaftlichen Prozesse fernzusteuern, durch den gezielten Aufbau von Determinationsstrukturen immer stärker wird, z.B. dadurch, dass die europäische Union immer mächtiger wird, ebenso die Präsidien innerhalb der politischen Parteien sowie die Parteien bezüglich der Gestaltung unserer Gesellschaft. So bilden sich immer wirkungsvollere Fremdbestimmungssysteme, mit deren Hilfe diese Prinzipien dann auch leichter durchsetzbar sind.
Ein erhebliches Maß an Spannung und Aggressionspotential
C. P.: Wo und wie findet man das Konkurrenzprinzip?
L. Grünewald: Konkurrenz finden wir in allen Arten von Wahlkämpfen, Kriegen, im Wirtschaftsleben beim Kampf um Marktbeherrschung oder um Arbeitsplätze. Ganz wesentlich ist Konkurrenz auch auf dem kulturellem Sektor: Da gibt es etwa den Kampf gegen den sogenannten „internationalen Terrorismus“, dann den vielzitierten „Kampf der Kulturen“; den Kampf gegen Zuwanderung, gegen Intoleranz, gegen Rechtspopulismus und Fremdenfeindlichkeit etc. Das sind alles Bewegungen, bei denen es darum geht, ein konkurrierendes Prinzip auszuschalten. Das bringt natürlich ein erhebliches Maß an Spannung und Aggressionspotential in die Gesellschaft.
Was zu einer zunehmenden Verarmung der Bevölkerung führt
C. P.: Und wie wirkt das Determinationsprinzip?
L. Grünewald: Das Determinationsprinzip dominiert die drei großen gesellschaftlichen Steuerungssysteme: zunächst das politische System durch die Zentralisierung der Gesetzgebung, wodurch die Bevölkerung immer ohnmächtiger wird; das zweite ist das Wirtschafts- und Finanzsystem, das vor allem durch die Finanzmärkte zu einem Determinationssystem geworden ist, denn “Finanzprodukte“ erzeugen auf der einen Seite immer größere Guthaben einiger weniger Menschen, die zugleich die Schulden von immer mehr Menschen sind, was im Gesamteffekt zu einer zunehmenden Verarmung der Bevölkerung führt.
C. P.: Warum ordnest du letzteres dem Determinationsprinzip zu?
L. Grünewald: Weil derjenige, der Schulden hat, im Prinzip erpressbar ist. Das kann man sehr gut bei hochverschuldeten Staaten sehen: Griechenland droht der Staatsbankrott, und die wirtschaftliche Übermacht der sogenannten Geldgeber wird als Determinationsmittel eingesetzt, um die griechische Haushalts -, Wirtschafts- und Bildungspolitik zu steuern.
Das dritte große Determinationssystem ist das Bildungssystem, wozu ich neben den Schulen und Hochschulen auch die Medien rechne. Hier werden durch entsprechende Gestaltung der Lehrpläne einerseits und der vermittelten Informationen andererseits die Gedanken, Empfindungen und auch die Fähigkeiten der Menschen in hohem Maße fremdbestimmt.
C. P.: Fremdbestimmt und gleichzeitig vereinheitlicht?
L. Grünewald: Beides, aber das sind zwei unterschiedliche Prozesse. Die Vereinheitlichung hat vor allem zur Folge, dass es immer schwieriger wird, Individualität im Sinne von Einzigartigkeit zu entwickeln. Determination ist dagegen der Prozess der Fremdbestimmung des Einzelnen beispielsweise durch Lehrpläne, durch bestimmte Informationen oder vorgegebene Urteile in den Medien.
C. P.: Wenn das schon immer so war – hat es sich verschärft, und ab wann war das?
L. Grünewald: Ich würde sagen, dass diese Prinzipien einer vergangenen Kulturepoche angehören. Das, was Rudolf Steiner die griechisch-römische Kulturepoche nennt, hätte ohne diese drei Prinzipien nicht funktioniert: Die Fremdbestimmung durch Herrscher, der Kampf bis hin zum Krieg und die Einheitlichkeit der Menschengruppen, also etwa der drei Stände im Mittelalter, waren für die damalige Gesellschaft notwendige Strukturen. Was in dieser Zeit aber noch nicht aktuell war, ist die Individualität des einzelnen Menschen. Alle drei Prinzipien sind nämlich individualitätsfeindlich: Konformität verhindert individuelle Unterschiede, Fremdbestimmung verhindert Selbstbestimmung, und Konkurrenz verhindert ein konstruktives Miteinander der Individualitäten. Diese Prinzipien gehörten zu einer vergangenen Kultur; sie waren damals notwendig, wirken heute aber destruktiv.
C. P.: Du hast es schon angedeutet, aber beschreibe noch genauer: welche konkreten Probleme entstehen durch diese drei Prinzipien in unserer Gesellschaft?
Die politische Gestaltung ist ausschließlich den Eliten überlassen
L. Grünewald: Kurz gesagt, entsteht zunächst durch wirtschaftliche Determination ein Verarmungsproblem, durch politische Determination ein Entrechtungsproblem und durch die Steuerung der Bildungssysteme ein Verdummungsproblem. Das Konkurrenzprinzip wirkt sich so aus, dass sich Gruppen, die früher einheitlich in sich geschlossen waren und auch gemeinsam gegen andere Gruppen gekämpft haben, nun immer mehr in sich selber zersplittern. Beispielsweise ist es allgemeiner Konsens, gegen den Terrorismus zu sein, während man offenbar geteilter Auffassung sein kann darüber, ob das auch ein Kampf gegen den Islam sein muss oder ob ein solcher Kampf gegen den Islam vielmehr eine Äußerung von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz ist. So spaltet sich das Lager gegen den Terrorismus, zu dem zunächst ja auch Pegida und die AfD gehören. Wenn kurz nach Sylvester berichtet wurde, dass Übergriffe von Ausländern auf Frauen stattgefunden haben, dann sorgt das wiederum für eine Spaltung gewisser Gruppen: Aus Sicht der sogenannten „political correctness“ stehen sowohl Ausländer als auch Frauen auf der schützenswerten Seite. Wenn aber von den Medien nun hervorgehoben wird, dass Ausländer sich an Frauen vergangen haben, dann setzt eine Diskussion darüber ein, ob das noch hinnehmbar ist: ob man die Frauen vor den Ausländern schützen muss oder ob das dann schon Ausländerfeindlichkeit ist. Das führt zu kontroversen Debatten in unterschiedlichen Gruppierungen, die sich dann in sich spalten und dadurch immer kleiner werden. Das Endergebnis ist eine Gesellschaft, die so in sich zersplittert ist und deren Mitglieder einander gegenüber so antipathisch eingestellt sind, dass gar nicht mehr die Möglichkeit besteht, gemeinsam zu diskutieren und gemeinsam etwas in der Gesellschaft zu verändern. Dazu wären nämlich hinreichend große Gruppierungen erforderlich. Das hat die Konsequenz, dass die politische Gestaltung ausschließlich den Eliten überlassen ist und aus der Zivilgesellschaft keine Veränderungsimpulse mehr hervorgehen können. Das Stadium haben wir bereits jetzt erreicht.
Das Konkurrenzprinzip dominiert über die Fähigkeit der Zusammenarbeit
C. P.: Ist das auch die Ursache davon, dass nach der Studentenrevolte in den 68-ern die Abrüstungs-und Anti-AKW-Bewegung etwas bewirkt haben und es heute in dieser Größenordnung keine Bewegungen mehr gibt?
L. Grünewald: Solche einheitlichen Willensbekundungen sind heute kaum noch möglich, und Gruppierungen jeglicher Richtung, wie Piraten, Pegida, AfD etc. zersetzen sich in immer kleinere Fraktionen, weil das Konkurrenzprinzip über die Fähigkeit der Zusammenarbeit dominiert.
C. P.: Dass eine einseitige Information sehr schnell zu Emotionen führen kann, ist offensichtlich, das reicht von Streitgesprächen am Stammtisch bis letztlich zu Kriegen, aber wie schafft man es, sich ein vollständiges Bild zu machen?
L. Grünewald: Der Anspruch, ein komplettes Bild zu haben, ist erstens unrealistisch und zweitens auch nicht nötig. Wir brauchen immer nur ein Bild, das genau genug ist, um uns orientieren zu können. Ich würde die Frage also so reformulieren: Wie komme ich zu der Möglichkeit, mich zu orientieren? Dazu darf ich die Medien nicht als Instanzen ansehen, die mir vermitteln, wie es wirklich gewesen ist, sondern ich muss die Medien genauso beobachten wie andere Ereignisse meines Gesichtskreises auch. Mit Medien meine ich auch die zahlreichen alternativen Möglichkeiten jenseits der Mainstreammedien, vor allem auch das Internet. Das ergibt dann ein bestimmtes Gesamtbild. Innerhalb dieses Gesamtbildes zeigen sich Widersprüche; und ich komme dadurch weiter, dass ich versuche, solche Widersprüche aufzulösen: Wie kommt eine bestimmte Situation zustande? Warum urteilen die einen Menschen so und die anderen anders? Die bestehenden Auffassungsunterschiede gehören zur Wirklichkeit dazu. Es ist nicht so, dass es erstens die Tatsachen gibt, zweitens die Medien und drittens meine eigene Urteilsbildung, die dadurch entsteht, dass ich durch die Medien erfahre, was die Tatsachen sind, sondern die Medien sind Tatsachen wie alle anderen auch, und die „Wahrheit“ ergibt sich, wenn alle Informationen zusammenstimmen. Wir werden immer wieder die Erfahrung machen, dass sich unser bisheriges Weltbild mit immer neuen Informationen und Widersprüchen konfrontiert sieht, und wir müssen dann versuchen, diese Elemente so einzuarbeiten, dass sich ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Im Zentrum stehen dabei immer die Motive der Menschen, von denen die jeweiligen Aktivitäten ausgehen, also deren Willensimpulse.
… dass ich zu Urteilen komme, die für mich klar genug sind, um meine Handlungen darauf aufbauen zu können
C. P.: Das heißt aber in der Konsequenz, dass man vieles offen lassen muss?
L. Grünewald: Ja, das ist aber für Erkenntnis allgemein charakteristisch: Ich nehme die Welt nur aus meiner bestimmten Perspektive wahr, und deshalb gibt es zahllose Dinge, die ich nicht wahrnehme und nicht kenne. Ich kann letztlich nur den Anspruch haben, dasjenige, was mir an Erfahrungen begegnet, so aufzuklären, dass ich zu Urteilen komme, die für mich klar genug sind, um meine Handlungen darauf aufbauen zu können. Das ist letztlich die entscheidende Frage.
C. P.: Bevor man darauf eingeht, wie man mit den drei Grundprinzipien umgehen sollte – beschreibe doch, wie sie mit den Seelenfähigkeiten des Menschen zu tun haben.
L. Grünewald: Diese drei Kulturprinzipien haben jeweils eine sehr enge Beziehung zu den drei grundlegenden Seelenfähigkeiten des Menschen, nämlichDenken, Fühlen und Wollen. Die Konformität wirkt vor allem auf das Denken, indem sie Pauschalurteile erzeugt oder, negativ ausgedrückt, individuelle Beurteilung verhindert. Es kommen dann immer Allgemeinurteile zustande, die aber wirklichkeitsfremd sind, und so entfernt sich der Mensch in seinem Denken von der Realität. Das Konkurrenzprinzip wirkt auf das Fühlen, weil es die Antipathie fördert, geradezu herauslockt aus den Menschen, die zu antipathischen bis hin zu hasserfüllten Wesen anderen gegenüber werden. Und dadurch entfremden sie sich von ihren Mitmenschen und isolieren sich zunehmend, ohne es zu merken.
Das dritte Prinzip der Fremdbestimmung wirkt auf den Willen, denn dieser ist ja gerade die Fähigkeit sich selber zu bestimmen. Wenn der Mensch von außen bestimmt wird, dann ist sein Ich wirkungslos. Dann handelt er nicht mehr selber, sondern führt nur das aus, wozu andere ihn bestimmt haben. Und dadurch verliert er sich. Man könnte also etwas pointiert sagen, dass der Mensch durch die Konformität im Denken den Kontakt zur Welt verliert, durch die Konkurrenz im Fühlen den Kontakt zu seinen Mitmenschen und durch die Determination im Wollen den Kontakt zu sich selber.
Urteilschulung, Emotionsmanagement und Selbstbestimmung
C. P.: Ist damit eine Richtung angegeben, wie man aus dem Ganzen herauskommen könnte?
L. Grünewald: Es käme darauf an, an allen drei Seelenfähigkeiten zu arbeiten. Im Denken mit dem Ziel einer differenzierten Urteilsbildung, indem wir unsere Urteile selbst bilden und nicht aus den Medien und von anderen Menschen übernehmen. Ich komme dahin zunächst durch genaue Beobachtung, und dann, indem ich meine Begriffe und Urteile an der Beobachtung bilde. Konformität entsteht immer, wenn ich auf genaue Beobachtung verzichte und an die Stelle einer individuellen Beurteilung ein allgemeines Urteil setze. Dann bin ich „mit dem Thema durch“, und letztlich ist Trägheit die Ursache dafür, wenn ich glaube, auf einer derartig schmalen Erfahrungsgrundlage die ganze Welt beurteilen zu können. Stattdessen stellt aber jede neue Situation eine neue Erkenntnisaufgabe dar. Das ist eine Frage der Schulung des Denkens.
Das Konkurrenzprinzip im Fühlen lässt sich überwinden, indem ich mein eigenes „Emotionsmanagement“ betreibe, d. h. bewusst kontrolliere, wohin ich meine Sympathien und Antipathien lenke. Das setzt aber voraus, dass ich vorher bezüglich meiner Urteilsbildung aktiv war und begreife, mit was ich es da eigentlich zu tun habe. Es kommt also darauf an, den Gefühlshaushalt zu harmonisieren und sich nicht zu unreflektierten Antipathien und Sympathien verleiten zu lassen.
Bei der Überwindung der Fremdbestimmung geht es letzten Endes um Willensschulung, indem ich versuche, mein eigenes Handeln selbst zu bestimmen. Das ist aber eine schwierige Angelegenheit, weil ich, wenn ich mich ernsthaft darum bemühe, darauf gestoßen werde, wie ich aus unterschiedlichsten Richtungen durch Vorurteile, durch vergangene Erlebnisse, durch spontane Empfindungen etc. fremdbestimmt werde. Also keinesfalls nur durch äußerliche Faktoren, sondern durch den eigenen Charakter und die eigene Anlage.
Wir kommen zu allen drei Entwicklungszielen – Urteilschulung, Emotionsmanagement und Selbstbestimmung im Handeln – nur durch Selbsterziehung. Das ist die schwierige Kehrseite der Selbstbestimmung. Heute müsste die Selbsterziehung an die Stelle des Anspruchs treten, die Gesellschaft verändern zu wollen. Rudolf Steiner spricht davon, dass die äußeren Kämpfe in unserer Gesellschaft nur zustande kommen, weil wir Angst vor den inneren Kämpfen haben, die mit dieser Selbsterziehung verbunden sind.
C. P.: Ist das nur Angst oder auch Bequemlichkeit?
L. Grünewald: Beides; das sind in der Tat die entscheidenden Motive. Dazu kommt dann auch noch der Egoismus, weil ich das gute Selbstbild, das ich von mir habe, infrage stellen muss. Wenn wir in die inneren Kämpfe hineingehen, haben wir die Möglichkeit, die äußeren Kämpfe um uns herum wiederum abzubauen. Das macht sich zunächst nicht gesamtgesellschaftlich, sondern nur in meinem unmittelbaren Umfeld bemerkbar, aber von da aus kann es weiter wirken. Wie viele Menschen sich tatsächlich dazu entschließen, diesen Weg konsequent zu gehen – denn das ist keine Angelegenheit, die sich in ein paar Stunden oder Tagen abhandeln lässt – , davon wird es abhängen, ob sich Handlungsformen entwickeln, die dann in Einzelsituationen immer mehr an die Stelle von Konformität, Konkurrenz und Determination treten können.
C. P.: Das wäre dann eine ganz neue, unbekannte Qualität?
L. Grünewald: Ja, und zwar eine Qualität, die sich nicht in der Form abstrakter Gesellschaftsstrukturen zeigt, sondern im unmittelbaren menschlichen Umgang, in der Kommunikation zwischen Menschen. Aber das ist ohnehin der Kernpunkt des Sozialen. Alle weiteren strukturellen Veränderungen können nur auf der Verbesserung der zwischenmenschlichen Beziehungen aufbauen und aus ihnen hervorgehen. Dagegen funktioniert es nie, die zwischenmenschlichen Beziehungen durch abstrakte oder strukturelle Reformen zu verbessern.